Der BGH hat sich in der Streitfrage der wohl überwiegenden Auffassung in Rspr. und Lit. angeschlossen, seine Argumente überzeugen jedoch nicht durchgehend. Auch einer zweitinstanzlichen gerichtlichen Kostenentscheidung lässt sich nicht immer entnehmen, ob diese ganz oder teilweise eine Bestätigung oder Aufrechterhaltung des bisherigen Prozessergebnisses aussprechen will. Die zweitinstanzliche Kostengrundentscheidung kann ihre Grundlage nämlich in einem Anerkenntnis oder in der Säumnis einer Partei haben oder die Kosten können dem Bekl. nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO aus einem anderen Grunde auferlegt werden. Außerdem können die Parteien in der Berufungsinstanz einen Vergleich ohne Kostenregelung treffen, den Rechtsstreit dann in der Hauptsache für erledigt erklären und dem Gericht die Kostenentscheidung gem. § 91a ZPO überlassen. In einem solchen Fall entscheidet das BG unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Das gilt ähnlich im Falle der Klagerücknahme nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO. Folglich muss mit der Kostenentscheidung des Gerichts nicht zwingend eine (teilweise) Bestätigung oder Aufrechterhaltung des bisherigen Prozessergebnisses verbunden sein.

Der BGH ist auch nicht auf die Besonderheiten des vorliegenden Falls eingegangen. Er hält – so ergibt es sich eindeutig aus dem amtlichen Leitsatz – für die Verzinsung der erstinstanzlichen Kosten das Eingangsdatum des auf den Prozessvergleich bezogenen Kostenfestsetzungsantrags für maßgeblich. Nach Vergleichsschluss hatte der Kl. jedoch gar keinen auf die erste Instanz bezogenen Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Nach dem mitgeteilten Sachverhalt hatte er seinen am 10.11.2016 beim LG Weiden i.d. OPf. eingegangenen Kostenausgleichungsantrag für die erste Instanz auf der Grundlage des landgerichtlichen Urteils v. 4.10.2016 gestellt. Über diesen Antrag ist wohl deshalb vom Rechtspfleger zunächst nicht entschieden worden, weil die Bekl. gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt hatte. In seinem nach Vergleichsschluss am 11.10.2017 beim LG am 20.10.2017 eingegangenen Kostenausgleichungsantrag hat der Kl. für die zweite Instanz weitere Kosten angemeldet. Für die Kosten der ersten Instanz hat der Kl. hingegen nach dem Vergleichsschluss v. 11.10.2017 keinen (neuen) Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass er in seinem die zweite Instanz betreffenden Kostenfestsetzungsantrag v. 20.10.2017 sich auf den die erste Instanz betreffenden Kostenfestsetzungsantrag v. 10.11.2016 bezogen hätte. Mangels eines auf den Prozessvergleich bezogenen nach Vergleichsschluss gestellten Kostenfestsetzungsantrags hätten die Kosten der ersten Instanz – nimmt man den BGH beim Wort – überhaupt nicht verzinst werden dürfen.

Die Entscheidung des BGH belegt wieder einmal, dass der Prozessbevollmächtigte auch kostenrechtliche Auswirkungen berücksichtigen muss, wenn er für den Mandanten Vergleichsverhandlungen führt, die in einen gerichtlichen Vergleich münden. Im Regelfall liegt das Schwergewicht seiner Tätigkeit in den Vereinbarungen zur Hauptsache. Jedoch können auch Vereinbarungen hinsichtlich der Kostenfolgen große Auswirkungen auf den Mandanten haben. So hätte der Prozessbevollmächtigte des Kl. im Fall des BGH möglicherweise in dem Vergleich eine Vereinbarung mit der Bekl. erzielen können, wonach für den Beginn der Verzinsung der erstinstanzlichen Kosten der Eingang des Kostenfestsetzungsantrags v. 10.11.2016 maßgeblich ist. Aufgrund einer solchen für das Kostenfestsetzungsverfahren bindenden Vereinbarung hätte die Verzinsung der erstinstanzlichen Kosten, soweit sie mit der im Vergleich vereinbarten Kostenquote von 93 % übereinstimmt, bereits ab 10.11.2016 und nicht – wovon der BGH ausgeht – erst am 20.10.2017 begonnen, was im entschiedenen Fall bei den Zinsen einen Unterschied von immerhin knapp 300 EUR ausmacht. Ob derartige Verhandlungen auch erfolgreich gewesen wären, hängt natürlich maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls und nicht zuletzt von der Verhandlungsposition der betreffenden Partei ab. Unternimmt der Prozessbevollmächtigte jedoch noch nicht einmal einen Versuch, auch die Besonderheiten des Kostenrechts in die Vergleichsverhandlungen einzubeziehen, so kann er sich möglicherweise gegenüber seinem Mandanten schadensersatzpflichtig machen.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens

zfs 4/2021, S. 223 - 227

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