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II. Die vom Einzelrichter gem. § 80a Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung übertragene Rechtsbeschwerde hat insoweit Erfolg, als die festgesetzte Geldbuße im Wege einer eigenen Sachentscheidung des Senats gem. § 79 Abs. 6 OWiG auf einen Betrag von 100 EUR unter gleichzeitigem Wegfall des angeordneten Fahrverbots festzusetzen war.

1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Feststellung des AG richtet, die Betr. habe den verkehrsberuhigten Bereich der innerorts gelegenen Straße “N' in E mit einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 38 km/h befahren, ist sie offensichtlich unbegründet i.S.d. §§ 349 Abs. 2 StPO, 79 Abs. 3 OWiG.

2. Die im Rahmen der Rechtsfolgenentscheidung zugrunde gelegte Schlussfolgerung des AG, der Betr. sei eine Geschwindigkeitsüberschreitung i.H.v. 31 km/h vorzuwerfen, da in dem verkehrsberuhigten Bereich eine Geschwindigkeit von maximal 7 km/h zulässig gewesen sei, hält demgegenüber rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Gem. § 42 Abs. 2 StVO i.V.m. dem Verkehrszeichen 325.1 in Abschnitt 4 der Anlage 3 (zu § 42 Abs. 2) darf in einem verkehrsberuhigten Bereich nur “Schrittgeschwindigkeit' gefahren werden. Eine nähere gesetzliche Definition dieses Begriffes findet sich nicht.

Nach dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG muss jedermann vorhersehen können, welches Handeln mit welcher Sanktion bedroht ist und sich entsprechend darauf einstellen können. Diese notwendige Vorhersehbarkeit ist dann nicht gegeben, wenn das Gesetz einen Straf- oder Bußgeldtatbestand zu unbestimmt fasst. Der Begriff der “Schrittgeschwindigkeit' wird dem Bestimmtheitsgebot nur dann gerecht, wenn er sich durch Auslegung hinreichend klar bestimmen lässt.

Dies ist nach Bewertung des Senats unabhängig von den hierzu vertretenen unterschiedlichen Auffassungen grds. der Fall, so dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, insoweit die nähere Definition der Rspr. zu überlassen (OLG Köln, Beschl. v. 22.1.1985 – 1 Ss 782/84; ebenso für den Begriff der “mäßigen Geschwindigkeit' OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.2017 – 2 Ss 24/05).

Der Begriff der Schrittgeschwindigkeit bestimmt sich in jedem Fall als eine Form des Gehens, was nach hierzu allgemein gültigen Definitionen voraussetzt, dass stets zumindest ein Fuß Bodenkontakt hat. Dabei liegt es für den Senat auf der Hand, dass auch der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer bei verständiger Würdigung von sich aus nicht etwa ernsthaft noch Geschwindigkeiten in Bereichen in Betracht ziehen wird, welche z.B. nur von Spitzensportlern im Gehen erreicht werden können (Die schnellsten Männer erreichen laut “Wikipedia' [unter dem Stichwort “20-km-Gehen'] beim 20-km-Gehen Zeiten um 1:17 Stunden, das entspricht 4,27 m/s oder 15,37 km/h, die schnellsten Frauen gehen Zeiten um 1:26 Stunden, das entspricht 3,83 m/s oder 13,79 km/h).

Ebenso ergeben sich durch Auslegung anderer Rechtsnormen Hinweise auf eine Untergrenze: Nach den Vorschriften der FeV ist gem. Anlage 1 (zu § 5 Abs. 2), Ziff. 2.5. im Rahmen des Erwerbs einer Prüfbescheinigung für Mofas und zwei- und dreirädrige Kfz bis 25 km/h im Rahmen der praktischen Ausbildung u.a. ein “Geradeausfahren mit Schrittgeschwindigkeit' vorgesehen. Gem. Ziff. 2.1.4.1.1. a) aa) der Anlage 7 (zu § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 2 und 3) ist im Rahmen der praktischen Fahrerlaubnisprüfung für Krafträder obligatorisch u.a. ein “Fahren eines Slaloms mit Schrittgeschwindigkeit' zu absolvieren. Dies gibt im Hinblick auf physikalisch notwendige Mindestgeschwindigkeiten zur Fahrstabilität eines Zweirades Hinweis darauf, dass ein Maximum der “Schrittgeschwindigkeit' lediglich im Bereich durchschnittlicher Fußgängergeschwindigkeiten (welche laut “Wikipedia' [unter dem Stichwort “Gehen'] etwa im Rahmen einer Untersuchung in den USA für die Überquerung einer ampelgesicherten Straße zwischen 4,5 und 5,5 km/h ermittelt worden sind) ebenfalls nicht in Betracht zu ziehen ist.

Die Spanne der denkbaren Obergrenze einer “Schrittgeschwindigkeit' als noch einem maximalen normalen Fußgängertempo entsprechend ist demnach so eng bemessen, dass dem Bestimmtheitsgebot als solchem durch richterliche Entscheidung noch entsprochen werden kann.

Ungeachtet des Gebotes hinreichend klarer Bestimmbarkeit haben sich indes in der Rspr. zur Auslegung des Begriffes “Schrittgeschwindigkeit' unterschiedliche Auffassungen herausgebildet.

Während etliche bzw. möglicherweise auch eine überwiegende Anzahl von Obergerichten den Begriff der Schrittgeschwindigkeit in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil mit maximal 7 km/h definieren (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.1.2018 – 2 Rb 9 Ss 794/17; OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.5.2005 – 1 Ss (Owi) 86 B/05; OLG Köln, Beschl. v. 22.1.1985 – 1 Ss 782/84), wird in anderen obergerichtlichen Entscheidungen auch ein Wert von max. 10 km/h benannt (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 21.3.2017 – 2 Ws 45/17; OLG Hamm, Beschl. v. 12.3.2012 – III-5 RBs 18/12; OLG Hamm, Urt. v. 13.10.1953 – VRS 6, 222).

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