OWiG § 17

Leitsatz

1. Zur Erhöhung der Regelgeldbuße bei einer geringfügigen Ordnungswidrigkeit.

2. Das Einkommen des Betr. kann im Wege der Schätzung ermittelt werden, wenn eine hinreichende Schätzgrundlage zur Verfügung steht; wesentliches Kriterium ist der ausgeübte Beruf des Betr.

OLG Hamm, Beschl. v. 10.7.2019 – III-3 RBs 82/19

Sachverhalt

Das AG hat den Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 210 EUR verurteilt. Zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betr. hat das AG ausgeführt: "Der Betr. ist von Beruf selbstständiger Bauunternehmer und einer von zwei Geschäftsführern. Das von ihm mitgeleitete Unternehmen beschäftigt 90 gewerbliche Mitarbeiter. Es erwirtschaftet einen Umsatz von mindestens 25 Millionen EUR. Das Gericht schätzt sein Nettoeinkommen auf dieser Grundlage nach Abzug der etwaigen Unterhaltspflichten für Ehefrau und Kinder auf mindestens 4.000 EUR." Zur Bemessung der verhängten Geldbuße hat das AG ausgeführt: "Gem. § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG kommen bei der Zumessungsentscheidung auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betr. in Betracht. Insoweit sieht das Gericht die Einkommensverhältnisse des Betr. als überdurchschnittlich an und hat darauf basierend eine Erhöhung der Regelgeldbuße um 75 % auf 210 EUR vorgenommen und diese sodann als tat-, schuld- und verkehrserziehungsangemessen zur nachhaltigen Einwirkung auf den Betr. festgesetzt."

Das OLG Hamm hat die Rechtsbeschwerde des Betr. zur Fortbildung des Rechts zugelassen, die Rechtsbeschwerde dann als unbegründet verworfen.

2 Aus den Gründen:

"…"

II. Auf den zulässigen, insb. form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Antrag des Betr. auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zuzulassen und die Sache sodann dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen, §§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, 80a Abs. 3 S. 1 und S. 2 OWiG. Hierbei handelt es sich um die Entscheidungen der mitunterzeichnenden Einzelrichterin des Bußgeldsenats.

1. Zur Fortbildung des Rechts ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch zu schließen. Es muss deshalb eine entscheidungserhebliche, noch klärungsbedürftige und abstraktionsfähige Rechtsfrage vorliegen (vgl. Seitz/Bauer in: Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 80, Rn 3 m.w.N.).

2. So liegt es hier. Die Rechtsfrage, ob im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 3 S. 2, 1. und 2. Halbs. OWiG bei Ordnungswidrigkeiten auch außergewöhnlich gute wirtschaftliche Verhältnisse des Betr. als Grundlage der Bußgeldbemessung herangezogen werden können, um eine in einem Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße zu erhöhen, ist über den entschiedenen Einzelfall hinaus für die Rspr. im Ganzen von Bedeutung. Sie ist auch entscheidungserheblich, da das Urteil im Übrigen rechtlicher Überprüfung Stand hält. Sie ist jedoch klärungsbedürftig, da sie in einer in der Kommentarliteratur zitierten Entscheidung des Thüringer OLG entgegen der Rechtsauffassung des Senats beantwortet wird (Gürtler in: Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 17, Rn 23).

III. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, so dass sie gem. § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG zu verwerfen war.

1. Die auf die erhobene Sachrüge hin vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Betr. nicht erkennen.

a) Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

b) Auch der von dem Betr. gerügte Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Überprüfung Stand.

aa) Das AG hat sich bei der Bemessung der Geldbuße rechtlich zutreffend an Nr. 11.3.6 der Tabelle 1c des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV orientiert und ist von der dort vorgesehenen Regelgeldbuße von 120 EUR abgewichen, weil es rechtsfehlerfrei außergewöhnlich gute wirtschaftliche Verhältnisse des Betr. festgestellt hat.

(1) Grundlage der Bußgeldbemessung bleiben auch im Anwendungsbereich eines Bußgeldkataloges die Kriterien des § 17 Abs. 3 OWiG (KG, Beschl. v. 10.3.2014 – 3 Ws (B) 78/14). Die Zumessung der Geldbuße gem. § 17 Abs. 3 S. 1 OWiG ist zuvorderst an der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und dem Vorwurf, der den Täter trifft, ausgerichtet. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betr. kommen bei der Bemessung der Geldbuße gem. § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG nur “in Betracht', spielen also hierbei nur eine untergeordnete Bedeutung (OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.1.2017 – 2 Ss OWi 1029/16, Rn 12). Aus Gründen der Vereinfachung und der Anwendungsgleichheit enthält der Bußgeldkatalog als Anlage der BKatV Bußgeldregelsätze für im Einzelnen aufgelistete Verstöße. Systematisch stellen die Regelsätze des Bußgeldkatalogs Zumessungsrichtlinien im Rahmen von § 17 Abs. 3 OWiG dar (Grube in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, OWiG – Bezüge z...

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