Bevor Justitia mit der Gerechtigkeitswaage abwägt, verbindet sie sich die Augen: vermutlich auch, um sich besser auf ihr Bauchgefühl zu konzentrieren.

Aber für Gerechtigkeit ist auch die Herstellung von Berechenbarkeit nötig: erforderlich ist ein Abwägen mit Gewichten, die geeicht sind über den Fall hinaus. Denn in den Waagschalen der Justitia wird stets Vergleichbares mitgewogen. Gerade hier verlangt die Falltypik dies, auch zur Herstellung der für das Massengeschehen Verkehrsunfall nötige Akzeptanz, die ebenfalls zu den Grundlagen der Gerechtigkeit gehört.

Deshalb – und ein bisschen wohl auch, weil man dem eigenen Bauchgefühl doch nicht ganz traut oder nicht genug Zeit hat, es zu erforschen oder ein Orakel gerade nicht befragen kann – allenthalben der Trend zu Tabellen, die Gerechtigkeit programmieren sollen:

Tabellen für Unterhaltsansprüche, für den Haushaltführungsschaden, für die Nutzungsentschädigung beim Ausfall des Unfallwagens, für das Schmerzensgeld – demnächst vielleicht die tabellarische Festschreibung des verständigen, wirtschaftlich denkenden, versicherungsadäquat denkenden Menschen.

Tabellen erstellt von Praktikern als Orientierungshilfen, von denen je nach Lage des Falles abgewichen werden kann[7] – die aber auch die Tendenz haben, Wortführer zu werden und "Basta" zu sagen.

[7] Rechtsgespräch Rudolf Gerhardt mit Bundesverfassungsrichter Schluckebier ZRP 2010, 269, 270.

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