"Die Klage ist zulässig und begründet."

Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für das bereits gekaufte Rollstuhlzuggerät, die in-vitro-Fertilisation und Freistellung hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gem. §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, Abs. 2 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG a.F.

1. Die Haftung der Bekl. auf Schadensersatz gegenüber dem Kl. aus dem Verkehrsunfall v. 9.4.1999 gem. § 823 Abs. 1 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG a.F. ist dem Grunde nach unstreitig.

2. Anspruch des Kl. auf Ersatz der Kosten für das bereits gekaufte Rollstuhlzuggerät i.H.v. 3.146,60 EUR.

a. Der Vergleich v. 18.9.2006 vor dem LG Halle (Az.: 4 O 322/05) schließt den geltend gemachten Anspruch nicht aus.

Ziff. 3 Abs. 3 regelt ausdrücklich, dass nur die vorstehend genannten Positionen durch die Vereinbarung erfasst werden, d.h. andere Aufwendungen bspw. Kosten für Hilfsmittel (Wartung/Reparatur/Aufzug, Neuanschaffung oder Umbau Rollstuhl etc.) sind gesondert auszugleichen, soweit sie nach dem 31.3.2006 entstanden sind.

Die genannten Positionen sind häusliche Pflegekosten, zusätzliche Urlaubskosten, Kleidermehrverschleiß, Fahrtkosten, Heilbehandlungs- und Heilmittelkosten.

Aus der Formulierung von Ziff. 3 Abs. 3 des Vergleiches wird deutlich, dass gerade keine umfassende Abgeltung gewollt war. Nach dieser Regelung sind andere Aufwendungen gesondert zu erstatten, soweit sie nach dem 31.3.2006 entstanden sind, wobei die Kosten für Hilfsmittel sogar beispielsweise aufgezählt sind. Bei der Konkretisierung dieser Kosten für Hilfsmittel in der Klammer ist am Ende “etc.' angefügt, so dass auch die Konkretisierung der Kosten für Hilfsmittel wiederum nur beispielsweise erfolgt ist.

Aufgrund der strukturellen Vergleichbarkeit des Rollstuhlzuggerätes mit einem Rollstuhl als Fortbewegungsmittel ist dieses als Hilfsmittel i.S.v. Ziff. 3 Abs. 3 des Vergleiches einzuordnen. Auch sind die Aufwendungen für das Rollstuhlzuggerät nach dem 31.3.2006 entstanden, denn die Auftragsbestätigung für den Kauf des Rollstuhlzuggerätes der Firma S R Technik GmbH datiert v. 12.8.2008.

b. Gem. § 249 Abs. 1 BGB hat, wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Zur Naturalrestitution bei Personenschäden gehören ebenfalls Maßnahmen, die zwar keine Heilung, wohl aber eine Linderung des Leidens bewirken können oder in anderer Weise medizinisch geboten sind (Oetker, in: Münchner Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2007, Rn 326).

Das Gericht hat u.a. zur Frage, ob die Anschaffung eines Rollstuhlzuggerätes angesichts des Krankheitsbildes beim Kl. medizinisch indiziert ist, bei Herrn Dr. med. S, dem Ärztlichen Leiter des Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Chirurgie in Kiel, ein Sachverständigengutachten eingeholt, welches dieser am 14.2.2011 anfertigte.

In diesem Sachverständigengutachten bejaht er die medizinische Indikation für die Anschaffung des Rollstuhlzuggerätes angesichts des Krankheitsbildes beim Kl.. Zudem bejaht er die Frage, ob das Nutzen des Rollstuhlzuggerätes durch den Kl. auch unter dem Aspekt der gelenkschonenden Mobilität zur Erhaltung der Gesundheit lebensnotwendig ist.

Auf die Frage, in welchem Umfang sich die Benutzung des Rollstuhlzuggerätes im Falle der Bejahung der medizinischen Indikation auf den Gesundheitszustand des Kl. konkret auswirke, führt der Sachverständige aus, dass die Benutzung des Rollstuhlzuggerätes ein sicheres und selbstbewusstes Bewegen im Alltag fördere. Die dadurch erworbene Sicherheit führe darüber hinaus zu einer Verbesserung konditioneller und koordinativer Ressourcen und erleichtere zudem insb. die Teilhabe an verschiedensten Freizeitaktivitäten.

Der Sachverständige, welcher in seinem Gutachten eingehend und nachvollziehbar die weit reichenden physischen, psychischen und sozialen Veränderungen für den Betroffenen als Folge des Eintritts einer Querschnittslähmung schildert, weist darauf hin, dass die Wiedererlangung größtmöglicher Mobilität und Selbstständigkeit im Vordergrund der Rehabilitation einer erworbenen Querschnittslähmung stehe und ein wichtiges Kriterium der Lebensqualität darstelle. Er führt aus, dass Bewegungen und Sport in einer angemessenen Dosierung demnach wichtige therapeutische Inhalte einer erfolgreichen Mobilitätsförderung darstellen und in hohem Maße zu einer Rehabilitation beitragen, die auf selbstbestimmtes Handeln ausgerichtet sei.

Zusammenfassend legt er dar, dass festzustellen sei, dass unter dem Gesichtspunkt der Prävention und lebenslangen Rehabilitation bei Querschnittslähmung aktuelle Untersuchungsergebnisse den Schluss zulassen, dass die Hinführung zu Sport und Bewegung möglichst früh in den Rehabilitationsprozess integriert werden müsse.

Das Gericht folgt diesem nachvollziehbaren und eingehend begründeten Sachverständigengutachten.

Aufgrund der präventiven Wirkung werden Folgeschäden verhindert. Daher ist es nach Auffassung des Gerichts zur Erhaltung der Gesundheit für den Kl. auch lebensno...

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