In einem Urteil vom 5.10.2010 hatte sich der BGH[8] mit der Frage zu befassen, ob und ggfs. unter welchen Umständen der Pannenhelfer beim Betrieb des Fahrzeugs tätig wird.

Den Entscheidungsgründen lässt sich folgender Sachverhalt entnehmen:

Der Beklagte zu 3) fuhr mit einem Pkw bei einsetzendem Schneefall auf der Autobahn. Er geriet ins Schleudern, kollidierte mit der Leitplanke am rechten Fahrbahnrand und kam auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Er schaltete das Warnblinklicht ein. Der Kläger und spätere Pannenhelfer, der mit seinem Pkw hinter dem Kraftfahrzeug des Beklagten zu 3) gefahren war, hielt vor dem Unfallfahrzeug auf dem Seitenstreifen an. Er schaltete das Warnblinklicht ein und begab sich zum Pkw des Beklagten zu 3). Nachdem er sich nach dessen Befinden erkundigt hatte, wollte er zur Absicherung der Unfallstelle das Warndreieck aus dem Kofferraum des Fahrzeugs des Beklagten zu 3) entnehmen. Als der Kläger deshalb mit dem Rücken zur Fahrtrichtung stand und den Kofferraum öffnen wollte, näherte sich der Beklagte zu 1) mit seinem Pkw auf dem mittleren von drei Fahrstreifen, geriet ebenfalls ins Schleudern und erfasste den Kläger, der dabei schwer verletzt wurde.

Der Kläger nahm sowohl den Beklagten zu 1) und dessen Haftpflichtversicherung, als auch den Beklagten zu 3), zusätzlich den Halter des Fahrzeugs und die Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 3) in Anspruch. Der BGH verneinte den Haftungsausschluss gemäß § 8 StVG mit folgender Begründung:

Zitat

Nach der Regelung in § 8 Nr. 2 StVG gelten die Vorschriften des § 7 StVG nicht, wenn der Verletzte u.a. bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war. § 8 Nr. 2 StVG erfasst Personen, die durch die unmittelbare Beziehung ihrer Tätigkeit zum Betrieb des Kraftfahrzeugs den von ihm ausgehenden besonderen Gefahren stärker ausgesetzt sind als die Allgemeinheit, auch wenn sie nur aus Gefälligkeit beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig geworden sind. Der Sinn und Zweck des gesetzlichen Haftungsausschlusses besteht darin, dass der erhöhte Schutz des Gesetzes demjenigen nicht zuteil werden soll, der sich durch seine Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs freiwillig aussetzt. Als Ausnahmevorschrift ist die Bestimmung des § 8 Nr. 2 StVG eng auszulegen. Für die Anwendung des § 8 StVG kommt es nicht auf die Art der Tätigkeit zur Zeit eines Schadensfalles an, sofern sie nur der Förderung des Betriebes des Kfz dient. Doch setzt die Tätigkeit bei dem Betrieb eines Kfz im Allgemeinen eine gewisse Dauer voraus, wie sie beispielsweise der Fahrer im Verkehr ausübt. Fehlt es an einer Dauerbeziehung, wie es bei gelegentlichen Hilfeleistungen an dem Betriebe unbeteiligter Personen der Fall ist, so kann eine den Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG herbeiführende Tätigkeit nach Sinn und Zweck des Gesetzes nur angenommen werden, wenn sie in einer so nahen und unmittelbaren Beziehung zu den Triebkräften des Kfz steht, dass der Tätige nach der Art seiner Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kfz-Betriebs mehr ausgesetzt ist als die Allgemeinheit. Die Haftungsfreistellung nach § 8 Nr. 2 StVG greift mithin nicht zugunsten des Beklagten zu 3) sowie des Halters und Haftpflichtversicherers des von ihm gefahrenen Fahrzeugs ein.

Diese Entscheidung erhält mithin dem Pannenhelfer die Ansprüche aus der Betriebsgefahr des Fahrzeugs, das den Auslöser für die Pannenhilfe darstellt. Im Gegensatz zum Fahrer und Beifahrer setzt sich der Pannenhelfer nicht aus freien Stücken, zum eigenen Nutzen den besonderen Gefahren des Betriebs aus. Sein Tätigwerden wird vielmehr durch eine Gefahrensituation veranlasst. In manchen Situationen und unter dem Kriterium der Zumutbarkeit ist er zur Hilfe sogar verpflichtet. Der Haftungsausschluss des § 8 Nr. 2 StVG beruht jedoch auf der Erwägung, dass das Schutzbedürfnis von Personen, die sich freiwillig, also ohne Zwang, der Betriebsgefahr aussetzen, regelmäßig geringer zu erachten ist.[9]

[9] Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 19 Rn 9.

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