AKB § 7 I Abs. 2; VVG § 6 Abs. 3 a.F. = VVG § 28 Abs. 3 S. 1 n.F.

Zum Kausalitätsgegenbeweis bei der Verletzung der Obliegenheit, dem Kasko-Versicherer den Versicherungsfall innerhalb einer Woche schriftlich anzuzeigen.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.2.2010 – 12 U 175/09

Die Klägerin macht Ansprüche aus einer Kfz-Kaskoversicherung geltend. Sie war Halterin und Eigentümerin des Kraftfahrzeugs M. Dieses Fahrzeug wurde bei einem Vorfall beschädigt, der sich am 16.2.2004 ereignet hat und dessen Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Das Fahrzeug der Klägerin war im Bereich auf einem rechts neben der Fahrbahn befindlichen Parkstreifen abgestellt. An dem Vorfall war der Streithelfer der Klägerin mit dem von ihm geführten Lkw beteiligt, den der Streithelfer zuvor bei der E-Autovermietung angemietet hatte. Der Streithelfer der Klägerin beschädigte deren Fahrzeug der Klägerin auf der rechten Seite, wobei die Art und Weise, wie es zu den Beschädigungen des klägerischen Fahrzeugs gekommen ist, und ob es sich um einen Unfall handelt, zwischen den Parteien streitig ist.

Die Klägerin hat den Schaden an ihrem Fahrzeug zunächst bei der Streithelferin der Beklagten, der Haftpflichtversicherung für den Lkw, geltend gemacht. Diese hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Schadensregulierung abgelehnt. Das Fahrzeug wurde von der Klägerin im Juli 2004 in unrepariertem Zustand veräußert. Im Dezember 2005 wandte sich die Klägerin erstmals an die Beklagte und bat um Regulierung des Schadens.

Aus den Gründen:

… Die Beklagte ist gem. § 7 I Abs. 2 S. 1 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG a.F. wegen Obliegenheitsverletzung durch die Klägerin leistungsfrei.

1. Zu Recht hat das LG eine objektive Verletzung der Anzeigeobliegenheit angenommen und dabei für den Fristbeginn allein auf den Eintritt des Versicherungsfalles abgestellt. … Der Wortlaut des § 7 I Abs. 2 S. 1 AKB lässt keine andere Interpretation zu als diejenige, dass der Fristbeginn an den ‘Versicherungsfall’ geknüpft ist, allein dessen Eintritt kann eine Anzeigepflicht auslösen und die Anzeigefrist in Gang setzen. Auch die Klägerin zeigt keinen anderweitigen Anknüpfungszeitpunkt für den Fristbeginn auf, ihre Ausführungen sind vielmehr geprägt von vermeintlichen Billigkeitserwägungen, die allesamt jedoch nicht überzeugen. Es ist im Übrigen für den Versicherungsnehmer ein Leichtes, den Unfall auf unkomplizierte Weise und einmalig seiner Kaskoversicherung zu melden. Dabei kann es – worauf das LG ebenfalls zu Recht hinweist – auch keine Rolle spielen, ob der Versicherungsnehmer zu dieser Zeit überhaupt beabsichtigt, die Kaskoversicherung letztlich in Anspruch nehmen zu wollen. Die Obliegenheit steht nicht zur Disposition des Versicherungsnehmers, sondern dient in erster Linie dem Zweck, den Versicherer in die Lage zu versetzen, sich möglichst schnell in die Schadensermittlungen und -verhandlungen einzuschalten und notwendige eigene Feststellungen zu treffen (BGH VersR 1968, 58), der Versicherer hat an der rechtzeitigen Kenntnis des Versicherungsfalls schlechthin ein Interesse (OLG Saarbrücken VersR 1976, 157). Er entscheidet somit auf Grundlage der vom Versicherungsnehmer gemachten Anzeige darüber, ob und ggfs. welche Ermittlungen er anzustellen gedenkt, auch bei vermeintlich klarer Haftungslage. In der Tat würde die Wochenfrist vor diesem Hintergrund völlig ins Leere laufen, würde man es dem Versicherungsnehmer überlassen, ob und wann er seine Kaskoversicherung benachrichtigt.

Somit begann die Wochenfrist des § 7 I Abs. 2 S. 1 AKB am 17.2.2004 zu laufen und endete mit Ablauf des 23.2.2004 (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Unstreitig hat die Klägerin binnen dieser Frist den Versicherungsfall nicht bei der Beklagten angezeigt. …

2. Ob diese Obliegenheit tatsächlich – wie vom LG angenommen – vorsätzlich verletzt wurde und für den Fall ihrer Folgenlosigkeit weiter auch die Kriterien des BGH zur sog. Relevanzrechtsprechung erfüllt wären … , kann dahin stehen, denn zu Recht hat das LG auch die Voraussetzungen einer nur grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung mit überzeugender Begründung als erfüllt angesehen Der Klägerin vermochte weder ein mangelndes Verschulden noch einen geringeren Schuldgrad als die vermutete grobe Fahrlässigkeit zu beweisen …

Unstreitig hatte die Klägerin Kenntnis sowohl von ihrer Anzeigepflicht als auch der hierfür geltenden Wochenfrist. Der Klägerin musste zudem klar sein, dass sich die Anzeigepflicht aus § 7 I Abs. 2 S. 1 AKB ausdrücklich an den Kaskoversicherer richtete und nicht – wie sie im vorliegenden Rechtsstreit Glauben machen will – an die gegnerische Haftpflicht als aus Sicht der Klägerin primär Leistungspflichtige. Die abweichende Auffassung der Klägerin beruht auf einer völligen Verkennung der Norm des § 7 I. Abs. 2 S. 1 AKB. Auch ersetzt die Anzeige des Haftpflichtfalls nicht die Anzeige des Kaskoschadens und umgekehrt, da die Ermittlungen des Versicherers in beiden Fällen in ganz anderer Richtung verlaufen müssen (Stiefel/Hofmann, a.O., § 7 Rn 16)...

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