ZPO § 286; AKB § 12

Leitsatz

Zu den Indizien, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit eine Vortäuschung des Versicherungsfalls ergeben.

BGH, Urt. v. 10.12.2008 – IV ZR 107/08

Aus den Gründen

Aus den Gründen: [1] „… Dem Rechtsmittel der Beklagten war nach § 544 Abs. 7 ZPO stattzugeben. Das BG hat den Vortrag der Beklagten, die behauptete Entwendung des Fahrzeuges sei nur vorgetäuscht, nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen und dadurch deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt…

[2] Im Einzelnen hat das BG es versäumt, sich mit folgenden Tatsachen, die seitens der Beklagten vorgebracht worden sind oder sich aus dem Inhalt der vom BG beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Ermittlungsakten ergeben, auseinander zu setzen, obwohl diese geeignet sind, für eine erhebliche Vortäuschungswahrscheinlichkeit zu sprechen:

[3] 1. Die Klägerin, die als gebürtige Polin in ihrem Heimatland u.a. einen Kfz-Handel betreibt, behauptet den Diebstahl eines geleasten hochwertigen Pkw Mercedes während des Straßburger Weihnachtsmarktes, nachdem ihr Ehemann diesen zuvor im Stadtgebiet abgestellt hatte. Das BG hätte bereits an dieser Stelle in den Blick nehmen müssen, dass widersprüchliche Angaben zu dem Zeitraum vorliegen, in dem der Diebstahl stattgefunden haben soll. Vor der französischen Polizei hatte die Klägerin diesen noch auf die Zeit zwischen 14.15 Uhr bis 19.30 Uhr eingegrenzt, in der Klagschrift hingegen einen Diebstahl bis 18.30 Uhr behauptet, während sich dieser ausweislich der Strafanzeige bei der deutschen Kriminalpolizei bis 18.00 Uhr ereignet haben soll.

[4] Durch den Ehemann der Klägerin wurde vor der behaupteten Entwendung am 23.12.2005 der Abschleppschutz des Fahrzeuges deaktiviert. Die Klägerin bzw. ihr Ehemann haben dies damit erklärt, die Straße, in der der Pkw Mercedes geparkt worden sei, werde durch Lkw stark befahren, sodass sie einen Fehlalarm durch Erschütterung befürchtet hätten, weil sich das Fahrzeug “auf bewegtem Untergrund’ befunden habe mit heftigen “Vibrationen des Straßenbelages’. Der Ehemann der Klägerin will dabei auf Empfehlung der Verkäuferin und des Herstellers (Betriebsanweisung) gehandelt haben. Die Ermittlungsbehörden, die ein Verfahren wegen des Verdachts auf Vortäuschung einer Straftat eingeleitet haben, sind dem nachgegangen. Es hat sich ergeben, dass bei dem betreffenden Fahrzeug ein Neigungssensor als Abschleppschutz eingebaut worden ist. Nach Auskunft der Verkäuferin muss das Fahrzeug entweder vorne oder hinten 10–15 cm vom Boden entfernt oder es müssen alle vier Räder gleichzeitig angehoben werden, um den Alarm auszulösen. In der Betriebsanleitung wird die Deaktivierung des Abschleppschutzes (nur) für den Fall empfohlen, dass bspw. Etagengaragen/Stapelgaragen benutzt werden. Ein plausibler Grund, den Abschleppschutz zu deaktivieren, ist somit nicht ersichtlich, ohne dass das BG auf diesen Umstand eingegangen wäre.

[5] 2. Im Protokoll der französischen Polizei lautet die Kilometerangabe zum Zeitpunkt des Diebstahls 42.000 km, während die Klägerin gegenüber der Beklagten als Versicherer später einen Kilometerstand von 24.000 km behauptet hat.

[6] a) Die Klägerin hat dies mit einem “Zahlendreher’ auf Grund sprachlicher Missverständnisse erklärt. Ihrer Darstellung zufolge war eine Verständigung in Straßburg nur unter großen Schwierigkeiten möglich, weil der aufnehmende Polizeibeamte kein Deutsch verstanden und ihr Ehemann seinerseits kein Französisch gesprochen habe. Dabei bleibt unerwähnt, dass eine deutschsprachige Polizistin anwesend war, die die Übersetzung vornahm, wie sich aus der Schadenanzeige ergibt, die das BG weder ausgewertet noch sonst in seine Würdigung einbezogen hat… Nicht zuletzt ist das Protokoll in seinem Inhalt überschaubar und die Angabe “42.000 kms’ darin auch ohne Französischkenntnisse verständlich, zumal die Kilometerleistung ziffernmäßig ausgewiesen worden ist und nicht als “quarante-deux milles’ schriftlich dokumentiert.

[7] b) Hinzu kommt, dass 42.000 km eine zum damaligen Zeitpunkt plausible Laufleistung gewesen sind, wie bereits das LG in seinem Urteil zutreffend ausgeführt hat. Am 23.3.2005 betrug die Laufleistung unstreitig 21.542 km. In der Zeit zwischen Juni 2004 (Zulassung) und März 2005 sind daher monatlich im Durchschnitt 2.394 km zurückgelegt worden. Für den gesamten Zeitraum März 2005 bis Dezember 2005 würden somit entsprechend der Darstellung der Klägerin lediglich 2.458 km verbleiben (monatlich 273 km). Wird hingegen mit neun Monaten zu je 2.394 km gerechnet, ergeben sich 43.084 km, was zumindest der Größenordnung nach dem Wert von 42.000 km entspricht.

[8] Die Klägerin legt dar, sie habe im März 2005 die Nutzung des Pkw Mercedes fast gänzlich eingestellt und diesen zum “Sonntagsauto’ gemacht. Stattdessen sei ein zusätzlicher Geschäftswagen angeschafft worden (Peugeot Kombi), der den Mercedes für tägliche Fahrten nahezu vollständig ersetzt habe. Das BG hat sich nicht näher damit befasst, weshalb die Klägerin...

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