“ … II. Das als Sprungrevision statthafte (§ 335 Abs. 1 StPO), in zulässiger Weise eingelegte Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
1. a) Soweit sich die Revision mit der Sachrüge gegen den Schuldspruch richtet, ist sie allerdings unbegründet. Das AG ist auf Grund der getroffenen Feststellungen zu Recht von der Verwirklichung des Tatbestandes einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt gem. § 316 Abs. 1 und 2 StGB ausgegangen. Die Feststellungen zum Schuldspruch sind klar, lückenlos und frei von Widersprüchen. Sie lassen keine Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze zwingenden Charakters erkennen.
Das AG hat nachvollziehbar dargelegt, dass der Angeklagte am 24.1.2007 gegen 0.30 Uhr ein Fahrzeug im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,11 %o geführt hat. Die Blutprobe ist dem Angeklagten gegen 1.35 Uhr von der Ärztin und Zeugin Dr. M. entnommen worden. Die Strafrichterin hat überzeugend begründet, dass es durch die medizinische Behandlung – Anlegen eines Blasenkatheters – und der anschließenden Blutentnahme des Angeklagten nicht zu einer Verfälschung des Ergebnisses der ermittelten Blutalkoholkonzentration gekommen ist. Die Ärztin Dr. M. hat – so das AG – geschildert, dass sie zur Behandlung des Harnverhaltes die Eichel mit einem Desinfektionsmittel für Schleimhäute desinfiziert und zur Betäubung "Instillagel" in die Eichel eingeführt habe. Der Sachverständige K. hat dazu erläutert, dass weder das Desinfektionsmittel für Schleimhäute noch das Betäubungsmittel "Instillagel" Ethanol enthalte. Bei der Untersuchung der Blutprobe zur Überprüfung der Blutalkoholkonzentration werde nur der Ethanolgehalt festgestellt, so dass eine Beeinflussung der Blutalkoholkonzentration durch die medizinische Behandlung des Angeklagten ausscheide. Der Zeuge Polizeioberkommissar C. habe angegeben, er habe der Ärztin Dr. M. für die Blutentnahme das spezielle Set übergeben, welches von dieser auch verwendet worden sei. Dieses Set enthält ein nicht alkoholhaltiges Desinfektionsmittel (UA Seite 4 und 7).
Die Feststellungen zu dem Fehlen des Rechtfertigungsgrundes des rechtfertigenden Notstands gem. § 34 StGB und des Entschuldigungsgrundes des entschuldigenden Notstands gem. § 35 StGB sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
Das AG hat nicht verkannt, dass bei Fahrlässigkeitsdelikten grundsätzlich ein Ausschluss der Rechtswidrigkeit durch Rechtfertigungsgründe ebenso möglich ist wie bei Vorsatzdelikten (Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, 27. Aufl., § 15 Rn 188; Cramer/Heiner, Lenkner, in: Schönke/Schröder, Vorbemerkungen §§ 32 ff Rn 92; Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 15 Rn 15). Dies gilt auch hinsichtlich des rechtfertigenden Notstandes, so dass nach dem Prinzip des überwiegenden Interesses die Vornahme einer an sich sorgfaltswidrigen und zu einem deliktischen Erfolg führenden Handlung grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt eines gerechtfertigten Risikos erlaubt sein kann (Cramer/Heiner, Lenkner, in: Schönke/Schröder, Vorbemerkungen §§ 32 ff. Rn 101).
Das AG hat aber zu Recht das Vorliegen des § 34 StGB verneint. Nach § 34 StGB handelt nur derjenige nicht rechtswidrig, wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt und die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden. Zutreffend hat das AG ausgeführt, dass die mögliche Lebens- oder Leibesgefahr, die durch den Harnverhalt des Angeklagten entstanden war, anders als durch eine Trunkenheitsfahrt hätte abgewendet werden können. Er hätte einen Krankenwagen oder einen Notarzt rufen können oder sich mit einem Taxi oder von Freunden ins Krankenhaus bringen lassen können (Tröndie/Fischer, a.a.O., § 316 Rn 51 und § 34 Rn 5 und 20; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 316 Rn 29; OLG Hamm NJW 1958, 271; OLG Koblenz NJW 1988, 2317 [= zfs 1988, 406]).
Das AG hat auch nachvollziehbar verneint, dass sich der Angeklagte in einem Irrtum über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes, der entsprechend § 16 StGB als Erlaubnistatbestandsirrtum zu behandeln ist (Tröndle/Fischer, a.a.O., § 34 Rn 18 m. Hinweisen auf die Rechtsprechung; OLG Koblenz a.a.O.), befunden hat. Nach den Feststellungen des Urteils hat der Angeklagte das Fahrzeug geführt, weil er sich irrig noch für fahrtüchtig hielt und nicht, weil er sich eine Sachlage vorstellte, die wenn sie tatsächlich vorgelegen hätte, die Trunkenheitsfahrt gerechtfertigt hätte.
Selbst wenn man auf Grund der Einlassung des Angeklagten davon ausgehen würde, dass er sich auf einen Irrtum über die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes berufen wollte, so ließe dies die Strafbarkeit wegen einer fahrlässigen Trunkenheitsf...