Vorweg lässt sich festhalten, dass der Anwalt bei der Regulierung mit dem Versicherer hinsichtlich der Höhe des Zinssatzes am meisten beachten muss.

Bei den einzelnen Schadenspositionen kann notfalls geringfügig nachgegeben werden. Beim Zinssatz sollte jedoch versucht werden, diesen so niedrig wie möglich festzusetzen, da dies für den Mandanten die größte Auswirkung hat. Im Einzelnen soll vorliegend nicht auf die versicherungsmathematische Problematik eingegangen werden, so dass der Unterschied nicht näher erläutert wird, egal ob man nun eine Massenkapitalisierung, Individualkapitalisierung, ein versicherungsmathematisches Alter oder ein juristisches Alter nimmt, s. Schneider, zfs 2004, 541. Nach allen Berechnungsmethoden ist dem Zinssatz generell die größtmöglichste Bedeutung beizumessen.

Freyberger hat in seinem Seminar "Der Abfindungsvergleich bei Personenschäden" hier sehr schön auf das Jesusbeispiel im Hinblick auf die Zinsen aufmerksam gemacht: "Jesus bekommt zur Geburt von seinem Vater einen Cent geschenkt. Diesen bringt er auf die Bank, die ihm verspricht, jedes Jahr 4 % Zinsen gutzuschreiben. Wie hoch ist das Kapital nach 2.000 Jahren? Das Ergebnis lautet: 1,04 hoch 2000. Man müsste die Erde zweimal in Gold abwiegen.". Genau aus diesem Grund versuchen Versicherer so zu tun, als ob die 5 % Kapitalisierungszinssatz in Stein gemeißelt sind und hieran nicht zu rütteln ist.

So hat Lang in seinem Aufsatz ("Der Abfindungsvergleich bei Personenschäden", 43. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2005, 130 ff.) auch geschickt formuliert, dass angeblich die obergerichtliche Rechtsprechung (der BGH) von einem Zinsfuß von 5 % ausgeht (vgl. Lang, 43. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2005, 141). Nicht erwähnt hat Lang, dass der BGH 1981 zwar zunächst von einem 5 %-igen Zinsfuß ausgegangen ist, jedoch dann die Rentendynamik, der Kapitalzinssatz vermindert um die Verwaltungskosten und die Steuern abzusetzen waren, so dass am Ende ein tatsächlicher Effektivzinssatz oder ein Kapitalisierungszinsfuß von je nach Fall von 2 % zugrunde zu legen ist. Auch die Inflationsrate (in den letzten 10 Jahren bei ca. 2 %) ist zu berücksichtigen. Auch zukünftig werden die Preise steigen. Nach dem 2. Weltkrieg sind die Preise bis heute gestiegen und werden in Zukunft auch weiter steigen. Alle anderen Prognosen sind unrealistisch. Ferner kann es nicht angehen, dass ein Urteil von 1981 mit einem zunächst 5 %-igen Ausgangszins heute ungeprüft herangezogen wird. Allein das Zinsniveau der festverzinslichen Wertpapiere hat sich seit 1991 mehr als halbiert.

Es entspricht nicht dem Mandanteninteresse, diese Zahlen einfach zu ignorieren, da auch in anderen Bereichen, z.B. beim Schmerzensgeld, nicht Urteile aus älteren Jahrgängen 1:1 herangezogen werden, sondern selbstverständlich dort auch Indexanpassungen vorgenommen werden. Der BGH würde heute, wenn ihm die Möglichkeit eingeräumt würde darüber zu entscheiden, mit Sicherheit nicht mehr die gleichen Zahlen zugrunde legen. Seit dem einzigen BGH-Urteil in dieser Problematik sind immerhin 26 Jahre! vergangen. Vor 25 Jahren war der Garantiezins der Kapitallebensversicherer bei über 5 % und nicht wie heute bei 2,25 %.

Deshalb sollte Lang nicht den Eindruck erwecken, als ob der BGH 1981 ebenfalls die 5 % in Stein gemeißelt hätte. Nur als Ergänzung sei angemerkt, dass in der zurückverwiesenen Entscheidung des BGH anschließend das OLG Frankfurt im Beweisbeschluss durch einen Versicherungsmathematiker allein den Verdienstausfall 1984 auf 1,3 Millionen DM als Barwert berechnet hatte. Dem Sachverständigen wurde damals aufgegeben, einen Zinssatz von 2 % zugrunde zu legen. Auch hier wird deutlich, dass bei gerichtlichen Entscheidungen ganz andere Summen kapitalisiert würden, als außergerichtlich dies derzeit der Fall ist.

Aus Anwaltssicht kann nur dringend davor abgeraten werden, bei Abfindungsvereinbarungen sich pauschal auf 5 % einzulassen.

Ferner muss differenziert werden, ob es sich bei der Kapitalisierung z.B. um vermehrte Bedürfnisse, um Verdienstausfall oder um den Haushaltsführungsschaden handelt. Nicht bei jeder Schadensposition muss der gleiche Zinssatz zugrunde gelegt werden, da unterschiedliche Abschläge vorzunehmen sind. Dies ergibt sich schon daraus, dass in Zukunft die Preissteigerungen im Bereich der vermehrten Bedürfnisse, soweit davon z.B. physiotherapeutische Leistungen und Pflege betroffen sind, drastisch überproportional im Vergleich zur Inflation steigen werden. Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass die demographische Entwicklung dazu führen wird, dass immer mehr Menschen älter werden. Das ist gerade im Bereich der Kapitalisierung des Haushaltsführungsschadens wichtig. Insofern muss jeweils geschaut werden, welcher Bereich zu kapitalisieren ist.

Der Blick in unser benachbartes Ausland zeigt, dass dort die Entwicklung viel weiter ist und Deutschland hinterherhinkt und ein Entwicklungsland i.S. des Zinssatzes ist. In der Schweiz ist seit Jahren ein Zinsfaktor von 3,5 % höchstrichterlich durch das Bund...

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