1. Der Antrag ist statthaft und zulässig.

Der VGH ist das für die Entscheidung nach § 80 Abs. 7 VwGO zuständige Gericht der Hauptsache, weil bei ihm die erstinstanzlich zugelassene und vom Freistaat Bayern eingelegte Berufung gegen das Urt. des VG v. 11.6.2023 bezüglich der Entziehung der Fahrerlaubnis anhängig ist. Das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist mit dem rechtskräftigen Beschl. des VG v. 31.1.2022 abgeschlossen.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

a) Gemäß § 80 Abs. 7 S. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Das Änderungsverfahren ist damit kein Rechtsmittelverfahren zur Kontrolle der Richtigkeit der vorangegangenen Entscheidung, sondern ein eigenständiges Verfahren, in dem geprüft wird, ob die Entscheidung aufrechterhalten werden kann oder eine Änderung aufgrund neuer Umstände nunmehr geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.3.2019 – 6 VR 1.19, juris Rn 5). Dabei entspricht der Entscheidungsmaßstab im Änderungsverfahren demjenigen im ursprünglichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO. Der Änderungsantrag ist somit nur begründet, wenn veränderte oder unverschuldet zunächst nicht geltend gemachte Umstände bei summarischer Prüfung vorliegen und eine Änderung des ursprünglichen Beschlusses rechtfertigen. Dabei kommt den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens – hier des Berufungsverfahrens – maßgebliche Bedeutung zu. Dabei ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – hier also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids vom 9.8.2021 – ankommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.4.2019 – 3 C 14.17, BVerwGE 165, 215 Rn 11; Urt. v. 4.12.2020 – 3 C 5.20, BVerwGE 171, 1 Rn 12 m.w.N.).

b) Davon ausgehend liegen hier keine Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO vor, die dem Änderungsantrag zum Erfolg verhelfen würden. Zwar hat das VG der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis mit Urt. v. 11.7.2023 stattgegeben. Das rechtfertigt allerdings keine vom ablehnenden Eilbeschluss des VG abweichende Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers, weil die Berufung des erstinstanzlich unterlegenen Freistaats Bayern gegen das Urt. nach summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben wird.

aa) Das Landratsamt hat dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen, weil er am 18.6.2019 mit seinem Fahrrad bei einer Blutalkoholkonzentration von 2,35 ‰ gefahren ist und das aus diesem Grund geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht hat (§ 11 Abs. 8 S. 1, § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV v. 13.12.2010 [BGBl I S. 1980], vor Erlass des Widerspruchsbescheids der Regierung von Mittelfranken zuletzt geändert durch Gesetz v. 16.4.2021 [BGBl I S. 822]).

Nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn der Fahrerlaubnisinhaber ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt hat. Die Beibringungsanordnung nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV setzt keine Fahrt mit einem Kfz voraus. Vielmehr genügt die Fahrt mit jedem Fahrzeug, mithin auch mit einem Fahrrad (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 4.12.2020 a.a.O. Rn 19; Beschl. v. 20.6.2013 – 3 B 102.12, NJW 2013, 2696 Rn 7; Urt. v. 21.5.2008 – 3 C 32.07, BVerwGE 131, 163 = juris Rn 10, 15 ff., BayVGH, Beschl. v. 7.9.2023 – 11 CS 23.1298 – juris Rn 13; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 13 FeV Rn 23a). Die Teilnahme am Straßenverkehr in erheblich alkoholisiertem Zustand stellt mit jedem Fahrzeug und somit auch mit einem Fahrrad eine gravierende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs dar. Daher ist in diesen Fällen regelmäßig die Untersuchung mittels medizinisch-psychologischer Fachkunde veranlasst, ob sich das mit dem Fahrrad gezeigte Verhalten auch auf das Führen von Kraftfahrzeugen auswirken kann.

Soweit der Antragsteller behauptet, das Fahrrad nur geschoben zu haben, kann er damit aus den im erstinstanzlichen Urteil dargelegten Gründen (…) voraussichtlich nicht durchdringen. Der Begriff des "Führens" eines Fahrzeugs im Sinne von § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV deckt sich mit dem des § 316 StGB und § 24a StVG (Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 13 FeV Rn 23d). Wer auf einem rollenden Fahrrad sitzt, führt es (BayVGH, Beschl. v. 17.11.2014 – 11 ZB 14.1755, NJW 2015, 1626 Ls. und Rn 16 ff.). Die Länge der gefahrenen Strecke ist unerheblich (vgl. BayVGH, Beschl. v. 15.3.2021 – 11 CS 20.2867, DAR 2021, 647 Rn 15; Beschl. v. 5.2.2021 – 11 ZB 20.2611, juris Rn 27). Das Schieben ein...

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