Erfolgt durch die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des (angeblichen) Unfallverursachers der Einwand eines sog. manipulierten Unfallereignisses in Form eines verabredeten Verkehrsunfalls, hat sich in der Rechtsprechung eine klare Beweislastverteilung bei den dabei regelmäßig im Prozess streitigen Anspruchsvoraussetzungen entwickelt. Dabei kann der Fallgruppe des sog. "so nicht Unfalls" eine besondere Bedeutung zukommen.

1. Grundsätze der Beweislastverteilung

Der Anspruchssteller hat erst einmal nachzuweisen, dass der behauptete Verkehrsunfall tatsächlich stattgefunden hat und die geltend gemachten Schäden an seinem Kfz darauf beruhen. Gelingt ihm dieser Nachweis, obliegt es sodann dem Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer des Unfallgegners, zu beweisen, dass der Anspruchssteller in die Beschädigung eines Kfz eingewilligt hat.[6] Bevor der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer aber eine solche Einwilligung im Rahmen eines Indizienbeweises nachzuweisen hat, trifft den Anspruchssteller – quasi auf der ersten Ebene – die Beweislast dafür, dass der Unfall sich tatsächlich wie behauptet abgespielt hat. Gerade wenn Anhaltspunkte für einen manipulierten Verkehrsunfall bestehen und die Gegenseite bestreitet, dass der behauptete Unfall erstens überhaupt und zweitens in der geschilderten Weise stattgefunden haben soll, muss der klagende Geschädigte mithin den Nachweis führen, dass sich das behauptete haftungsbegründende Verkehrsgeschehen an dem geschilderten Unfallort zur angegebenen Zeit ereignet hat.[7] Dieser mit dem strengen Maßstab des § 286 ZPO zu erbringende Nachweis ist insbesondere nicht geführt, wenn Zweifel daran bestehen, ob sich der Unfall in der vom Geschädigten nach Ort und Zeit beschriebenen Weise tatsächlich so zugetragen hat.[8]

Dabei können im Wege des Indizienbeweises alle Umstände herangezogen werden, die Zweifel an dem behaupteten Ereignis wecken.[9] Im Übrigen sind in einem ersten Schritt die Aussagen der beteiligten Fahrzeugführer von besonderer Bedeutung, um überhaupt eine Kollision der Fahrzeuge und einen bestimmten Unfallablauf nachzuweisen, bevor die Plausibilität i.d.R. sodann durch ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten überprüft wird. Ergibt dieses Gutachten aber, dass der Unfall sich ganz anders als behauptet abgespielt haben muss, können die Grundsätze eines sog. "So nicht Unfalls" zu Lasten des Anspruchstellers eingreifen.

Praxistipp: Kann sich der Unfall nicht wie behauptet ereignet haben, bleibt der Anspruchssteller schon auf der "ersten Stufe" beweisfällig, ohne dass im Rahmen einer Indizienrechtsprechung der Nachweis einer Einwilligung des Geschädigten erfolgen muss.

[6] BGH, Urt. v. 1.10.2019 – VI ZR 164/18 = r+s 2020, 47; BGH, Beschl. v. 25.3.2014 – VI ZR 438-13 = SP 2014, 206.
[7] OLG Hamm, Beschl. v. 23.5.2016 – I 6 U 201/15 – juris.

2. Anforderungen an die Beweislast

Dabei genügt der Geschädigte seiner Beweislast vor allem dann nicht, wenn sich nach Durchführung der Beweisaufnahme Zweifel an Ort und Zeit des tatsächlichen Geschehens ergeben und zugleich (etwa aufgrund bestehender Schadenskompatibilität) gewichtige Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass beide Fahrzeuge sogar an anderer Stelle unter nicht dargelegten Umständen miteinander kollidiert sind. Denn im Zivilprozess wird ein konkreter Streitgegenstand zur Entscheidung gestellt, indem der Kläger die von ihm in Anspruch genommene Rechtsfolge als Klageantrag aus einem tatsächlichen Geschehen, dem sog. Lebenssachverhalt als Klagegrund, herleitet. Dessen Elemente müssen die tatsächlichen Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm ausfüllen und nur der vom Kläger vorgetragene Lebenssachverhalt bildet den Streitgegenstand der Klage. Deshalb ist der Beweis für das den Anspruch begründende Schadensereignis erst dann erbracht, wenn das Gericht nach § 286 ZPO die volle Überzeugung gewonnen hat, dass sich der Unfall in der vom Kläger nach Ort und Zeit beschriebenen Weise tatsächlich zugetragen hat.[10]

Praxistipp: Bei den Anforderungen an einen solchen Vortrag ist allerdings auch zu unterscheiden, ob der Anspruchssteller oder ein in seinem Lager stehender Fahrzeugführer das Geschehen selber erlebt haben und dementsprechend detailliert aus eigener Wahrnehmung zum Unfallhergang vortragen kann oder gar eine solche Wahrnehmung fehlt, weil z.B. angeblich ein geparktes Kfz beschädigt worden sein soll. Aber selbst bei letzterem Sachverhalt muss ein Mindestmaß an schlüssigem und bewiesenem Sachvortrag vorliegen.

Selbst wenn also die Schäden grundsätzlich kompatibel sein können, wird es sich um einen "so nicht Unfall" handeln und die Klage ist schon auf der ersten Stufe abzuweisen, wenn das Unfallgeschehen sich nicht wie behauptet abgespielt haben kann. Dies gilt dann erst Recht, wenn der Schaden sogar nachweisbar nicht auf die behauptete Art und Weise entstanden sein bzw. mit dem behaupteten Unfallhergang nicht als schlüssige Lösun...

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