Ob sich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer auch wirksam dafür entscheiden kann, auf Seiten des Anspruchsstellers dem Rechtstreit beizutreten und der Klage zum Erfolg zu verhelfen ist, in der Rechtsprechung umstritten. Diese Vorgehensweise kann sich für den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer nur dann anbieten, wenn er nicht von einer gemeinsamen Abrede der Beteiligten ausgeht, jedoch annimmt, dass der bei ihm versicherte Fahrzeugführer den Schadensfall vorsätzlich herbeigeführt hat und daher der Risikoausschluss des § 103 VVG eingreift. § 103 VVG führt als Risikoausschluss auch im Verhältnis zu dem Geschädigten zu einer Leistungsfreiheit und unterscheidet sich insoweit von einer Obliegenheitsverletzung.[26]

Praxistipp: Sind Halter und Fahrer eines Kfz identisch, kann also eine vorsätzliche und widerrechtliche Herbeiführung des Schadens sich auch im Außenverhältnis auswirken und einem Schadensersatzanspruch gegen den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer entgegenstehen. In diesem Fall muss sich der Vorsatz aber auch gerade – und sei es auch nur als dolus eventualis – auf den eingetretenen Schaden beziehen.

[26] OLG Nürnberg, Urt. v. 7.6.2011 – 3 U 188/11 = zfs 2011, 554; OLG Celle, Urt. v. 30.6.2010 – 14 U 6/10 – juris; LG Bochum, Urt. v. 14.1.2021 – I 8 O 428/19 – juris; LG Bochum, Urt. v. 17.12.2020 – I 8-428/19 – jeweils über juris.

a) Auffassungen des OLG München und Karlsruhe

Das OLG München[27] und das OLG Karlsruhe[28] halten einen solchen Beitritt für unzulässig: Nach Ansicht dieser OLG ist die Nebenintervenientin als Haftpflichtversicherer aus dem Versicherungsverhältnis verpflichtet, im Haftpflichtprozess die Interessen der Beklagten zu wahren und dabei gegebenenfalls eigene Interessen hintanzustellen. Auch dann, wenn der Versicherer wie in diesen Fällen den Versicherungsschutz versagen will, darf er keine Prozesshandlungen vornehmen, die für den Versicherungsnehmer erkennbar nachteilig sind. Dies wäre aber bei einer Unterstützung der Gegenpartei im Wege des Streitbeitritts der Fall, die eine Verletzung dieser versicherungsvertraglichen Pflichten darstellen würde.

b) Ansicht des OLG Nürnberg

Das OLG Nürnberg[29] hat den Beitritt dagegen für zulässig gehalten und hat sich dabei von folgenden Überlegungen leiten lassen: Nach der schon im ersten Teil dargelegten Rechtsprechung des BGH darf der im Wege des Direktanspruches mitverklagte Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer, der annimmt, der anspruchsbegründende Verkehrsunfall sei zum Zweck des Versicherungsbetruges von den Unfallbeteiligten absichtlich herbeigeführt worden, sowohl mit einem vom Vorbringen des Versicherungsnehmers abweichenden Sachvortrag die Unfallmanipulation geltend machen als auch als dessen Streithelfer eine Klageabweisung der gegen den Versicherungsnehmer gerichteten Klage beantragen. Dem Versicherer kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dabei nicht verwehrt werden, sich gegen die gegen ihn gerichtete Klage umfassend zu verteidigen. Dies auch mit der Behauptung, das schadensbegründende Ereignis sei von den angeblichen Unfallbeteiligten einvernehmlich herbeigeführt worden, obwohl er damit seinen Versicherungsnehmer der Mitwirkung an einem (versuchten) Versicherungsbetrug bezichtigt. Lehnt der Versicherer dabei von vorneherein die Gewährung von Versicherungsschutz ab, weil er sich wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles für leistungsfrei hält, kann ihm in entsprechender Anwendung dieser Rechtsprechung erst recht nicht versagt werden, das seine Eintrittspflicht ausschließende vorsätzliche Handeln des Versicherungsnehmers bereits im Haftpflichtprozess durch eine Nebenintervention auf Seiten des Geschädigten – in Übereinstimmung mit dessen Vortrag – geltend zu machen. Dafür spricht aus Sicht des Senats, dass der Versicherer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Fall einer Deckungsversagung, verbunden mit dem Verzicht, den Haftpflichtprozess für den Versicherten zu führen, sich im Deckungsprozess nicht darauf berufen kann, die Feststellung im vorausgehenden Haftpflichtprozess, der Versicherungsnehmer habe nicht vorsätzlich gehandelt, sei falsch und sich damit der Bindungswirkung der Feststellung im Haftpflichtprozess nicht entziehen kann. Daher mehr muss dem Versicherer nach Ansicht des OLG Nürnberg die Möglichkeit eingeräumt werden, bereits im Haftpflichtprozess darauf hinzuwirken, dass das seiner Auffassung nach gegebene vorsätzliche Handeln des Versicherungsnehmers festgestellt wird. Die einzige prozessuale Möglichkeit hierfür besteht dann ggf. in einer Nebenintervention auf Seiten des Geschädigten.

[29] OLG Nürnberg, Beschl. v. 11.4.2022 – 5 W 2855/20 mit insoweit zustimmender Anmerkung Fortmann, RuS 2022, 325, 328; ablehnend dagegen Koch, VersR 2022, 939.

c) Leitpfaden für die Praxis

Diese Ansicht des OLG Nürnberg überzeugt, dürfte aber in der Praxis nur in wenigen Fällen tatsächlich umgesetzt werden können. Jedenfalls ist dem OLG Nürnberg im Ausgangspunkt zuzustimmen, da ei...

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