Es ist also grundsätzlich davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht hinreichend vernünftige Regeln aufstellt.[6] Höhere Anforderungen können sich unter Umständen noch aus der Schwarmintelligenz der betroffenen Verkehrsteilnehmer ergeben.

Mangels Normverletzung kommt ein Mitverschulden des verletzten Kraftradfahrers aufgrund unzureichender Schutzbekleidung damit allenfalls aus einer Obliegenheitsverletzung in Betracht, also einem "Verschulden gegen sich selbst".[7] Der Geschädigte muss gerade die Sorgfalt außer Acht gelassen haben, die ein verständiger Mensch im eigenen Interesse aufwendet, um sich vor einem Schaden zu bewahren. Hier ist ein objektiver Maßstab anzulegen, ein Obliegenheitsverstoß also nur dann zu bejahen, wenn für die Kraftradfahrer das Tragen von (bestimmter) Schutzkleidung zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich war.[8] Das allgemeine Verkehrsbewusstsein ist wiederum aus zureichend verlässlichen Unterlagen zu bestimmen, also vor allem aus Umfrageergebnissen, Statistiken, amtlichen oder nichtamtlichen Erhebungen. Ergibt sich hieraus nichts Belastbares, ist dem Kraftradfahrer auch kein Vorwurf zu machen.[9]

[7] MüKo-BGB/Oetker, 8. Aufl. (2019), § 254 Rn. 3 f.
[8] St. Rspr., z.B. BGH, Urt. v. 17.6.2014 – VI ZR 281/13 – juris, Rn. 9 = NJW 2014, 2493 m.w.N.
[9] Grundlegend hierzu: BGH, Urt. v. 30.1.1979 – VI ZR 144/77 = NJW 1979, 980.

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