BGB § 249 Abs. 2

Leitsatz

1. Der Geschädigte, der statt der wirtschaftlich gebotenen Reparatur ein Ersatzfahrzeug erwirbt, kann die tatsächlich angefallenen Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe der – hypothetisch erforderlichen – Reparaturkosten beanspruchen. (Rn. 17)

2. Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, kann er den Ersatz von Umsatzsteuer nicht verlangen. Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen einer durchgeführten Reparatur oder Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist. Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig. (Rn. 21)

BGH, Urt. v. 12.10.2021 – VI ZR 513/19

Sachverhalt

[1] Der Kläger nimmt die Beklagten im Wege der fiktiven Schadensabrechnung auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom 26.1.2017 in Anspruch, bei dem sein Fahrzeug, ein im Unfallzeitpunkt knapp fünf Jahre alter BMW X1, beschädigt wurde. Die volle Haftung der Beklagten für den Unfallschaden steht in der Revisionsinstanz dem Grunde nach außer Streit.

[2] Der Kläger bezifferte den ihm entstandenen Fahrzeugschaden auf der Grundlage eines am 4.2.2017 eingeholten Sachverständigengutachtens auf 5.262,91 EUR netto. Die Beklagte zu 2 legte ihrer Schadensberechnung unter Hinweis auf die im Wohnort des Klägers gelegene Vergleichswerkstatt L. geringere Stundenverrechnungssätze zugrunde und ermittelte Reparaturkosten in Höhe von lediglich 4.503,88 EUR. Auf der Basis hälftiger Haftungsverteilung zahlte sie hierauf einen Betrag in Höhe von 2.251,94 EUR.

[3] Mit Urt. v. 29.10.2018 hat das Amtsgericht – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – die Reparaturkosten auf den Mittelwert von 4.883,39 EUR geschätzt und die Beklagten auf der Grundlage einer Haftungsquote von 100 % zu ihren Lasten zur Zahlung von weiteren 2.631,45 EUR nebst Zinsen verurteilt. Die Klage auf Ersatz weitergehender Reparaturkosten hat es abgewiesen.

[4] Unter anderem gegen die Schätzung der Reparaturkosten haben sich die Beklagten mit der Berufung und der Kläger mit der Anschlussberufung gewandt. Nach dem zwischenzeitlichen Erwerb eines Neufahrzeugs zum Preis von 17.990 EUR inklusive Umsatzsteuer in Höhe von 2.872,35 EUR hat der Kläger die Klage um einen Umsatzsteueranteil in Höhe von 999,95 EUR – begrenzt auf den bei der Durchführung notwendiger Reparaturen laut Privatgutachten angefallenen Betrag – erweitert. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer Reparaturkosten auf 2.361,96 EUR reduziert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen Umsatzsteueranteil in Höhe von 876,64 EUR nebst Zinsen zu zahlen; die weitergehenden Rechtsmittel hat es zurückgewiesen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger den Ersatz weiterer Reparaturkosten in Höhe von 306,90 EUR nebst darauf entfallender Umsatzsteuer und Zinsen.

2 Aus den Gründen:

I.

[5] Nach Auffassung des Berufungsgerichts belaufen sich die ersatzfähigen Reparaturkosten auf 4.613,90 EUR netto. Der Kläger müsse sich auf die günstigeren Stundenverrechnungssätze der von der Beklagten zu 2 benannten Vergleichswerkstatt L. gemäß deren Preisliste für den Zeitraum vom 1.6.2015 bis 8.2.2017 verweisen lassen. Der Umstand, dass die Vergleichswerkstatt ihre Preise am 9.2.2017 erhöht habe, wirke sich nicht zugunsten des Klägers aus. Zwar habe die Beklagte zu 2 den Kläger erst am 20.3.2017 auf das Autohaus L. als günstigere Alternative verwiesen. Es sei aber zu berücksichtigen, dass die gesamte Schadensabrechnung fiktiv erfolge, was eine andere Bewertung des für den Kläger Zumutbaren rechtfertige. Bei der fiktiven Abrechnung sei der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der fiktiven Reparaturkosten sei deshalb der Zeitpunkt der Erstellung des vom Geschädigten eingeholten Privatgutachtens.

[6] Der Kläger könne auch Ersatz anteiliger Umsatzsteuer anlässlich der zwischenzeitlich erfolgten Neuwagenanschaffung verlangen. Es handele sich nicht um eine unzulässige Vermischung von fiktiver und konkreter Schadensberechnung. Maßstab sei der Grundgedanke des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach Umsatzsteuer nur zu ersetzen sei, soweit sie tatsächlich angefallen sei. Dies werde vorliegend beachtet. Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot sei es dem Kläger nicht vorzuwerfen, dass er seinen Schaden nicht konkret auf der Grundlage der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs, sondern fiktiv abrechne. Die Reparaturkosten seien nämlich wesentlich niedriger als die Kosten der Ersatzbeschaffung. Der Kläger beschränke seinen Anspruch daher bereits auf die fiktive Abrechnung der günstigeren Reparaturkosten; die im Rahmen der Ersatzbeschaffung angefallene Umsatzsteuer sei ihm als tatsächlich entstandene zu ersetzen. Bei dieser Berechnung müsse der Schädiger nicht mehr leisten als im Falle einer tatsächlich d...

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