RVG § 11 Abs. 4 § 32 Abs. 1, 33

Leitsatz

Das Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG ist auszusetzen, bis vom hierfür zuständigen Prozessgericht über eine beantragte Festsetzung des Gegenstandswertes rechtskräftig entschieden worden ist. Eine nur teilweise Aussetzung des Vergütungsfestsetzungsverfahrens ist unzulässig, wenn eine abweichende Wertfestsetzung für alle zur Festsetzung angemeldeten Anwaltsgebühren beantragt worden ist.

(Leitsatz der Schriftleitung).

OLG Hamm, Beschl. v. 1.6.2021 – 6 WF 126/21

Sachverhalt

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin, eine Rechtsanwältin, hat die Festsetzung ihrer Rechtsanwaltsvergütung gegen die Antragsgegnerin beantragst, die sie in einem familiengerichtlichen Verfahren vor dem AG Essen-Steele – FamG – vertreten hatte. Das Mandat endete vor Abschluss dieses Verfahrens. Nachdem die Antragstellerin eine abweichende Wertfestsetzung für die Terminsgebühr und die Antragsgegnerin eine abweichende Wertfestsetzung für die Termins- und die Verfahrensgebühr gem. § 33 RVG beantragt hatten, hat der Rechtspfleger des FamG das Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 Abs. 4 RVG in dem angefochtenen Beschluss ausgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

… .II. Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 11 Abs. 2 S. 3 RVG, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das AG hat das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung der Antragstellerin zu Recht gem. § 11 Abs. 4 RVG ausgesetzt.

Gilt die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren nach Auffassung eines der Beteiligten nicht gem. § 32 Abs. 1 RVG zugleich für die Anwaltsgebühren, hat das Gericht über den Antrag auf abweichende Wertfestsetzung nach § 33 RVG zu entscheiden. Das Vergütungsverfahren kann nicht fortgeführt werden, da die Wertfestsetzung nach § 33 RVG vorgreiflich ist (vgl. etwa Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl. 2021, § 11 Rn. 105 ff; Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, § 11 Rn. 237; zum Kostenfestsetzungsverfahren BGH, Beschl. v. 20.3.2014, IX ZB 288/11, RVGreport 2014, 240 (Hansens) = AGS 2014, 246 m. Anm. Norbert Schneider).

Mit Schriftsatz vom 15.2.2021 hat die Antragstellerin eine Vergütungsberechnung auf Grundlage eines Gegenstandswerts für die Terminsgebühr von 23.877,75 EUR vorgelegt und ausgeführt, die Terminsgebühr sei nicht aus dem vom Amtsgericht auf 95.511 EUR festgesetzten Wert für die Gerichtsgebühren angefallen, sondern aus dem um ¾ niedriger anzusetzenden Wert für die Auskunftsstufe. Sie hat damit konkludent eine abweichende Wertfestsetzung für die Terminsgebühr gem. § 33 RVG beantragt. Auch die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 6.2.2021 unter Hinweis darauf, dass die Terminsgebühr der Antragstellerin nur aus dem Wert der Auskunft angefallen sei, eine abweichende Wertfestsetzung gem. § 33 RVG für die Terminsgebühr beantragt und eine Wertfestsetzung für die Auskunftsstufe auf lediglich 1.000 EUR begehrt. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 6.2.2021 eine abweichende Wertfestsetzung gem. § 33 RVG für die Verfahrensgebühr der Antragstellerin auf 13.468 EUR beantragt, weil deren Mandat vorzeitig vor Abschluss des gerichtlichen Verfahrens und der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren beendet worden sei.

Der mit der Bearbeitung des Vergütungsverfahrens befasste Rechtspfleger war vor diesem Hintergrund gem. § 11 Abs. 4 RVG verpflichtet, das Verfahren über die Vergütungsfestsetzung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beantragten abweichenden Wertfestsetzungen gem. § 33 RVG insgesamt auszusetzen. Eine nur teilweise Aussetzung des Vergütungsverfahrens, soweit diese überhaupt für sachdienlich erachtet wird (dafür etwa Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl. 2021, § 11 Rn. 107; Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl. 2015, § 11 Rn. 33; kritisch Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, § 11 Rn. 238), kommt nicht in Betracht, da eine abweichende Wertfestsetzung gem. § 33 RVG sowohl für die Terminsgebühr als auch für die Verfahrensgebühr beantragt worden ist.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 11 Abs. 2 S. 6 RVG.“

3 Anmerkung:

Der Entscheidung des OLG Hamm ist zuzustimmen.

Im Verfahren auf Festsetzung der Anwaltsvergütung gem. § 11 RVG, für das in der Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit gem. § 21 Nr. 2 RPflG der Rechtspfleger, in den übrigen Verfahrensordnungen der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig ist, ist über den den Anwaltsgebühren zugrundeliegenden Gegenstandswert nicht zu entscheiden, wenn er umstritten ist. Die Festsetzung des Gegenstandswertes obliegt nämlich gem. § 33 Abs. 1 RVG dem Gericht des Rechtszuges, also dem erkennenden Richter des Prozessgerichts. Für die Festsetzung des Gegenstandswertes hat das Gesetz in § 33 RVG ein gesondertes Verfahren mit einem besonderen Rechtsmittelsystem (s.§ 33 Abs. 36 RVG) eingeführt.

Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG

Für das Vergütungsfestsetzungsverfahren ist in § 11 Abs. 4 RVG ausdrücklich geregelt, dass der mit diesem Verfahren befasste Rechtspfleger/Urkundsbeamte der Geschäftsstelle das Verfahren auszusetzen...

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