"… Die gem. §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde – als solche ist die “Erinnerung' auszulegen – hat in der Sache Erfolg; die Unterscheidung zwischen der Festsetzung von Gerichtskosten einerseits und der von Rechtsanwaltskosten andererseits wurde nicht hinreichend beachtet."

1. Richtig ist, dass im Kostenfestsetzungsverfahren grds. eine Bindung des Rechtspflegers an den gerichtlich bestimmten Streitwert besteht.

Gem. § 23 Abs. 1 RVG bestimmen sich – im Grundsatz – die anwaltlichen Gebühren nach den Wertvorschriften, die für die Gerichtsgebühren gelten; deshalb ist – wiederum im Grundsatz – eine Festsetzung von Gerichtsgebühren auch für die Bemessung der Gebühren des Anwaltes maßgebend, das heißt der festgesetzte Streitwert gilt auch für diese. Allerdings gibt es Fälle, in denen der für die Tätigkeit des Rechtsanwaltes maßgebende Wert anders ist als derjenige für die Gerichtsgebühren, bspw. wenn eine Klage während des Rechtsstreits teilweise zurückgenommen wird und anschließend noch ein gerichtlicher Termin stattfindet: Die Gerichtsgebühr bestimmt sich immer nach dem höheren Wert und dieser gilt auch für die Verfahrensgebühr des Rechtsanwaltes; der maßgebliche Gegenstandswert für die anwaltliche Terminsgebühr ist in diesem Falle jedoch geringer (vgl. z.B. OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.3.2018 – 14 W 89/18; OLG München, Beschl. v. 13.12.2016 – 15 U 2407/16 – AGS 2017, 336; LG Mainz, Beschl. v. 4.10.2018 – 1 O 264/16- AGS 2018, 571 m. Anm. N. Schneider oder KG Berlin, Beschl. v. 2.3.2018 – 26 W 62/17, AGS 2018, 344 m. Anm. Volpert; aus der Senatsrechtsprechung etwa Beschl. v. 18.10.2016 – 11 WF 1225/16; Beschl. v. 10.8.2016 – 11 W 1152/16; aus der Literatur Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., § 32 Rn 7 ff.). Entsprechendes kann auch bei einer (teilweisen) Erledigterklärung wie hier gelten.

2. Verfahrenstechnisch ist das Gericht dabei nicht gehalten, von sich aus neben der Festsetzung des Wertes für die Gerichtskosten auch die – möglicherweise unterschiedlichen – Gegenstandswerte für die Bemessung der Rechtsanwaltsgebühren zu bestimmen. Vielmehr obliegt es der Partei, die sich auf ein Auseinanderfallen von Gerichts- und Anwaltskosten beruft, ggf. einen Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG zu stellen. In einem solchen Fall, wenn also die Festsetzung des Streitwertes für die Gerichtskosten nicht gem. § 32 Abs. 1 RVG auch für die Anwaltsgebühren gilt, hat das Gericht, nämlich der Richter, über deren Höhe zu befinden.

Ein derartiger Fall liegt hier vor – es handelt sich um eine Stufenklage mit späterer Erledigungserklärung durch den Kl. (siehe hierzu aus neuerer Zeit speziell zur Stufenklage z.B. OLG Koblenz, Beschl. v. 12.10.2018 – 2 W 464/18 Tz 9 ff.; anschaulich auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.3.2013 – 3 WF 1/12 Tz 12 ff., AGS 2014,65; AnwKomm-RVG/Schneider/Wolf, 8. Aufl., § 33 Rn 4 und Rn 28).

Vorliegend hat die Bekl. zwar die Vorschrift des § 33 Abs. 1 RVG nicht genannt – das Vorbringen v. 26.5.2020 jedoch ist ohne weiteres als Antrag in diesem Sinne auszulegen: Es wird letztlich dargelegt, der Gegenstandswert für Einigungs- und Terminsgebühr des Klägervertreters müsse aus einem niedrigeren Wert als dem für die Gerichtskosten festgesetzten berechnet werden (siehe zur Annahme eines konkludenten Antrages in diesem Fall etwa BGH, Beschl. v. 27.3.2014 – IX ZB 52/13 Rn 4 a.E.).

Demnach hätte die Rechtspflegerin den Antrag gem. § 33 Abs. 1 RVG der zuständigen Richterin zur Entscheidung vorlegen müssen (BGH, Beschl. v. 27.3.2014 – IX ZB 52/13 Tz 4 ff.; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.10.2018 – 2 W 464/18 Tz 9; OLG Brandenburg, a.a.O., Tz 14); ob es hierzu einer förmlichen Aussetzung des Verfahrens gem. § 11 Abs. 4 RVG analog, 148 ZPO bedurfte (was nicht unbedingt zwingend erscheint), bedarf keiner Entscheidung.

Diese richterliche Entscheidung über den konkludent gestellten Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG (…) ist nachzuholen (das Beschwerdegericht kann eine solche nicht treffen: §§ 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG gilt hier nicht). Anschließend kann die Höhe der Termins- und Einigungsgebühr berechnet werden.“

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