A. Einleitung

Der Betroffene ist gem. § 73 Abs. 1 OWiG zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet. Oft kommen aber Erkrankungen, geschäftliche Verpflichtungen oder private Termine "in die Quere". Hier stellt sich dann die Frage, ob der Betroffene noch entschuldigt ist oder nicht. Im letzteren Falle droht bei Nichterscheinen nämlich die (zwingende) Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG.

B. Gesetzeslage

§ 74 OWiG regelt das Verfahren bei Abwesenheit des Betroffenen. Während in Absatz 1 die Verhandlung in Abwesenheit des von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundenen Betroffenen geregelt ist, regelt Absatz 2: Bleibt der (von der Erscheinenspflicht nicht entbundene) Betroffene ohne genügende Entschuldigung aus, so hat das Gericht den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen. Über diese Möglichkeit ist der Betroffene nach Absatz 3 auch zu belehren.

C. Ladung und Ladungsfrist

Die Verwerfung des Einspruchs ist aber nur zulässig nach ordnungsgemäßer Ladung unter eindeutiger Bezeichnung der Sache,[2] mit korrekter Belehrung und unter Einhaltung der Ladungsfrist des § 217 StPO von mindestens einer Woche, berechnet ab Zustellung der Ladung. Die Nichteinhaltung der Ladungsfrist entschuldigt das Fernbleiben nur in Ausnahmefällen.[3] Auch der Verteidiger muss geladen werden – wird ohne dessen Ladung terminiert, darf bei Nichterscheinen des Betroffenen keine Verwerfung stattfinden.[4] Das Recht auf ein faires Verfahren kann eine Terminsverlegung gebieten.[5] Ist die Ladungsfrist verletzt, so muss der Betroffene dies rügen. Tut er das nicht und stellt keinen Aussetzungsantrag, so darf der Einspruch bei Nichterscheinen des Betroffenen verworfen werden[6] – die Rechtsbeschwerde bleibt dann auf die zur Begründung zu erhebende Verfahrensrüge erfolglos. Kann der Betroffene aber wegen Nichteinhaltung der Ladungsfrist aufgrund anderer Termine nicht erscheinen, so werden an die Entschuldigung seiner Verhinderung keine hohen Voraussetzungen zu stellen sein. Vielmehr wird das Nichterscheinen bereits bei einfachen Verhinderungsgründen entschuldigt sein. Ohne Belang ist grundsätzlich eine Ladungsfrist gegenüber dem Verteidiger, wenn bei rechtzeitiger Ladung des Betroffenen dessen Einspruch wegen unentschuldigten Fernbleibens verworfen wird.

[2] OLG Jena, Beschl. v. 18.4.1996 – 1 Ss 246/95, NStZ-RR 1996, 313; Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 74 Rn 17.
[3] Seitz/Bauer, in: Göhler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 74 Rn 21; BGH, Beschl. v. 18.5.1971 – 3 StR 10/71, BGHSt 24, 143 = NJW 1971, 1278; KG, Beschl. v. 21.10.2002 – 2 Ss 91/02-3 Ws (B) 227/02, NZV 2003, 586; Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 74 Rn 17.
[4] OLG Bamberg, Beschl. v. 30.11.2006 – 2 Ss OWi 1521/06, NJW 2007, 393; OLG Hamm, Beschl. v. 5.10.2011 – 3 RBs 271/11, BeckRS 2011, 29782; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.8.2010 – 1 SsBs 26/09, SVR 2011, 35 = NZV 2011, 97; Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 74 Rn 17.
[5] OLG Köln, Beschl. v. 22.10.2004 – 8 Ss OWi 48/04, DAR 2005, 576; OLG Hamm, Beschl. v. 12.11.2012 – 3 RBs 253/12, BeckRS 2013, 00035; BayObLG, Beschl. v. 31.5.1994 – 2 ObOWi 194/94, zfs 1994, 387 = StV 1995, 10 = BayObLGSt 1994, 95; Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 74 Rn 17.
[6] BGH, Beschl. v. 18.5.1971 – 3 StR 10/71, BGHSt 24, 143, 151 = NJW 1971, 1278.

D. Belehrung

Die Belehrung nach § 74 Abs. 3 OWiG[7] ist Zulässigkeitsvoraussetzung des Abwesenheitsverfahrens und des Verwerfungsurteils und in der Ladung vorzunehmen. Wurde sie in der Ladung vergessen, kann sie in deren Form und mit neu laufender Ladungsfrist nachgeholt werden.[8] Die Belehrung ist für jede einzelne Terminsladung neu vorzunehmen und ein Verweis auf frühere Belehrungen ist unzulässig,[9] es sei denn die Terminsverlegung geschieht auf kurzfristigen Antrag des Verteidigers[10] oder es handelt sich lediglich um einen Fortsetzungstermin.[11]

[7] Zum genauen Inhalt der Belehrung: Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 74 Rn 19.
[8] Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 74 Rn 18.
[9] OLG Hamm, Beschl. v. 2.1.2009 – 3 Ss OWi 976/08, BeckRS 2009, 09328; Senge, in: KK-OWiG, 5. Aufl. 2017, § 74 Rn 29; Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 74 Rn 18.
[10] OLG Zweibrücken, Beschl. v. 1.2.1996 – 1 Ss 21/96, NZV 1996, 212; Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 74 Rn 18.
[11] BayObLG, Beschl. v. 29.9.1998 – 2 ObOWi 336/98, NStZ 1999, 140 = DAR 1999, 35 = VRS 96, 56; Senge, in: KK-OWiG, 5. Aufl. 2017, § 74 Rn 29; Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 74 Rn 18; a.A. OLG Köln, Beschl. v. 25.9.1990 – Ss 447/90 (Z), NStZ 1991, 92.

E. Ausbleiben

Zunächst ist für die Verwerfung nötig, dass der Betroffene ausgeblieben ist, also bei Aufruf der Sache zur Terminszeit am Terminsort nicht als Betroffener erschienen ist.[12] Nimmt er etwa "versteckt als Zuschauer" im Sitzungssaal Platz, ohne sich als Betroffener zu erkennen zu geben, so ist er nicht erschienen mit der Folge, dass die Einspruchsverwerfung weiter zu prüfen ist. Hat sich der Betroffene selbstverschuldet in einen Rausch versetzt, ist er ebenso nicht anwesend.[13] Die Verwer...

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