Einleitung

Wird ein Lkw einer Spedition weit entfernt von dem Sitz des Unternehmens durch Ordnungsbehörden kontrolliert und ein bußgeldrechtlich relevanter Verstoß festgestellt, führt dies auch häufig zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens gegen den "Halter" des Lkw, i.d.R. den Geschäftsführer des Unternehmens. Für die Behörde, das Gericht und den Betroffenen stellt sich regelmäßig die Frage, welches Gericht zuständig ist, das Amtsgericht des Kontrollortes oder das Amtsgericht des Unternehmenssitzes. Abhängig vom Ergebnis fallen nicht nur erhebliche Kosten (Fahrtkosten, Arbeitsausfall usw.) an; es kann auch Vor- oder Nachteile mit sich bringen, je nachdem, ob man am "Hausgericht" oder einem fremden Gericht verhandelt.

Allgemeine Zuständigkeitsregeln

Der Halter eines Kraftfahrzeugs verstößt gegen §§ 31 Abs. 2, 69 Abs. 5 Nr. 3 StVZO, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig die Inbetriebnahme eines nicht den Beschaffenheitsvorschriften entsprechenden Fahrzeugs anordnet oder zulässt. Hierbei bezieht sich die Inbetriebnahme nicht nur auf das bloße "Inbewegungsetzen" des Fahrzeugs bzw. dessen erste Indienststellung. Erfolgsort und somit auch Begehungsort i.S.d. § 7 Abs. 1 OWiG ist vielmehr jeder Ort, an dem das Fahrzeug auf Grund der Anordnung oder Zulassung des Halters unter Verstoß gegen die Beschaffenheitsvorschriften geführt wird, weil durch die gesamte Fahrt, welche eine Teilnahme am Verkehr darstellt, der Bußgeldtatbestand verwirklicht wird.[1]

Hieraus ergibt sich gem. § 7 Abs. 1 OWiG als möglicher Erfolgsort und damit auch Begehungsort sowohl der Unternehmenssitz des Halters, als auch der konkrete Kontrollort, an dem die Ordnungswidrigkeit ordnungsbehördlich festgestellt wurde. Die Bestimmung des Erfolgs- und Begehungsortes hat wiederum Auswirkungen auf die im Falle eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid zu bestimmende Zuständigkeit der Behörde und des Gerichts.

Gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 OWiG sind die Entscheidungen über Einsprüche gegen Bußgeldbescheide bundesgesetzlich dem Amtsgericht zugewiesen, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde, welche den Bußgeldbescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Gemäß § 68 Abs. 1, 3 Nr. 1 OWIG kann die jeweilige Landesregierung jedoch durch Rechtsverordnung die Zuständigkeit des Amtsgerichts abweichend von Absatz 1 danach bestimmen, in welchem Bezirk die Ordnungswidrigkeit oder eine der Ordnungswidrigkeiten begangen worden ist. Von dieser Möglichkeit haben die Bundesländer Baden-Württemberg,[2] Bayern,[3] Brandenburg,[4] Bremen,[5] Hamburg,[6] Hessen,[7] Niedersachsen,[8] Nordrhein-Westfalen,[9] Rheinland-Pfalz,[10] Sachsen,[11] Sachsen-Anhalt[12] sowie Schleswig-Holstein[13] durch landesgesetzliche Regelung Gebrauch gemacht.

In diesem Zusammenhang ergibt sich das Problem, ob im Falle eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid das im Bereich des Unternehmenssitzes, welcher den ersten von zwei kumulativ gegebenen Begehungsorten darstellt oder das im Bereich des Kontrollortes, als zweitem Begehungsort, ansässige AG vorrangig zuständig ist.

[1] BGHSt 25, 338/343; Bay OLG, VRS 60, 155.
[2] § 28 Nr. 1 der Verordnung des Justizministeriums über gerichtliche Zuständigkeiten vom 20. November 1998.
[3] § 44 Nr. 1 S. 1 der Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz – GZVJu) vom 16. November 2004.
[4] § 4 Abs. 2 der Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten und Zuständigkeitskonzentrationen (Gerichtszuständigkeits-Verordnung – GerZustV) vom 3. November 1993.
[5] § 1 der Verordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 17. Dezember 1968.
[6] § 1 der Verordnung über die örtliche Zuständigkeit der Amtsgerichte in Bußgeldsachen auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts vom 17. Dezember 1968.
[7] § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der Amtsgerichte im Bußgeldverfahren vom 11 September 1996.
[8] § 5 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung (ZustVO-Justiz) vom 22. Januar 1998.
[9] § 7a der Verordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Strafsachen gegen Erwachsene, in Jugendstrafsachen, in Bußgeldverfahren und Abschiebungshaftsachen vom 4. März 2008.
[10] § 4 der Landesverordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Strafsachen und Bußgeldverfahren vom 19. November 1985.
[11] § 3 Abs. 2 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz über gerichtliche Zuständigkeiten und Zuständigkeiten in Justizverwaltungssachen (Justizzuständigkeitsverordnung – JuZustVO) vom 6. Mai 1999.
[12] § 1 Nr. 2 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit bei Einsprüchen gegen Bußgeldbescheide auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts vom 10. Mai 2002.
[13] § 1 der Landesverordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Straßenverkehrsgesetz vom 18. Oktober 1994.

Rechtsprechungsstand

Gemäß einem Beschluss des BGH vom 19.6.1986,[14] in dem über den Verstoß ei...

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