Für die Zuständigkeit des Amtsgerichts im Bezirk des Kontrollortes spricht zunächst die Einheitlichkeit der Beurteilung des Vorgangs durch dasselbe Gericht. Ein Auseinanderfallen der Zuständigkeiten für das Bußgeldverfahren gegen den Fahrer und den Halter würde auf diese Weise vermieden.

Die Begründung des AG Kassel, welche sich allein auf die Feststellung des Charakters des Anordnens oder Zulassens der Inbetriebnahme des Fahrzeuges durch den Halter unter Verstoß gegen § 31 Abs. 2 StVZO als Dauerdelikt beschränkt, was insoweit der ganz herrschenden Meinung entspricht,[18] vermag jedoch nicht zu überzeugen. Die weitere Argumentation, wonach in diesem Falle das Gericht des Kontrollortes zumindest auch zuständig sei,[19] um sodann nur auf Grund der Tatsache, dass damit ein potenziell zuständiges Amtsgericht im Bundesland Hessen gebe,[20] erscheint vor dem Hintergrund des Rechts des Einzelnen auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 Abs. 1 GG letztlich willkürlich. Dies vor allem deshalb, weil das erkennende Gericht zu keiner Zeit auf eine etwaige vorrangige Zuständigkeit des Gerichts des Unternehmenssitzes einging, welche sich in dem zu entscheidenden Fall in einem anderen Bundesland, nämlich in Rheinland-Pfalz, befand.

Wenn eine Ordnungswidrigkeit in mehreren Bezirken begangen wurde, die sich unter Umständen auch in verschiedenen Bundesländern befinden, ist nach dem Rechtsgedanken des § 13 StPO, welcher gem. § 46 OWiG entsprechend anwendbar ist, zwar grundsätzlich jedes dortige Amtsgericht zur Entscheidung über die Ordnungswidrigkeit zuständig.[21] Um das Problem dieser Zuständigkeitskonkurrenz zu lösen und für den Betroffenen hinreichende Planungs- und Rechtssicherheit zu gewährleisten, erscheint es jedoch richtig, der von der obersten Rspr. im Falle alternativer Zuständigkeit vertretenen Auffassung, die Zuweisung habe an dasjenige Gericht zu erfolgen, in dessen Bezirk die, in Bezug auf den Halter, im Schwerpunkt vorwerfbare Handlung begangen wurde,[22] zu folgen. Denn nur in diesem Falle wird die Tatsache, dass der Halter durch Anordnung oder das Zulassen der Inbetriebnahme auf seinem Betriebsgelände die Ursache für die spätere Dauerordnungswidrigkeit gesetzt hat, hinreichend gewürdigt.

Dieses Ergebnis entspricht auch der der Dekonzentrationsmöglichkeit gem. § 68 Abs. 3 OWiG zugrunde liegenden Gesetzesbegründung. Hiernach steht die Dekonzentration durch Zuweisung der Zuständigkeit an das jeweilige Amtsgericht des Begehungs- bzw. Erfolgsortes stets unter der Prämisse der Sachdienlichkeit.[23] Diese rechtfertigt eine Zuweisung an das Amtsgericht des Begehungs- bzw. Erfolgsortes gerade in dem Falle, in dem es den Betroffenen auf Grund großer Entfernungen zu dem nach § 68 Abs. 1 OWiG zuständigen Gericht am Sitz der Verwaltungsbehörde nicht zuzumuten ist, nur wegen der weiten Entfernung zwischen Wohnort und Gerichtsort auf die Anwesenheit in der Hauptverhandlung zu verzichten.[24] Vor diesem Hintergrund dürfen bei einer etwa in einem anderen Bundesland begründeten Zuständigkeit bei gleichzeitiger potenziellen Zuständigkeit des Amtsgerichts des Unternehmenssitzes ebenfalls Sachdienlichkeitserwägungen nicht außer Betracht bleiben. Der Zuständigkeitskonflikt muss somit auch unter dem Aspekt der Zumutbarkeit zugunsten des Amtsgerichts des Unternehmenssitzes gelöst werden.

Insb. in einem Unternehmen, welches eine Vielzahl von Fahrzeugen betreibt, die in der gesamten Bundesrepublik Aufträge ausführen, ließen sich auf diese Weise erhebliche unnötige Mehrkosten, etwa in Form von Reisekosten aber auch Arbeitsausfall, vermeiden.

[18] Göhler/Gürtler OWiG, 15. Aufl. 2009, § 7 Rn 4; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, StVZO, § 31 Rn 18.
[19] AG Kassel, SVR 2008, 475.
[20] AG Kassel, SVR 2008, 475.
[21] Göhler/Seitz OWiG, 15. Aufl. 2009, § 68 Rn 19.
[22] BGH, NJW 1987, 1152.
[23] Göhler/Seitz OWiG, 15. Aufl. 2009, § 68 Rn 18.
[24] Göhler/Seitz OWiG, 15. Aufl. 2009, § 68 Rn 18.

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