Die Bewertung der anwaltlichen Tätigkeit als lediglich durchschnittlich erscheint mir nicht zutreffend. Das OLG Brandenburg bezieht sich zunächst auf die Rspr. des BGH, nach der die Berechnung einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG für die Regulierung eines durchschnittlichen Verkehrsunfalls nicht unbillig ist, so Urt. v. 31.10.2006, zfs 2007, 102 mit Anm. Hansens = RVGreport 2007, 21 (Hansens) = AGS 2007, 28 = NJW-RR 2007, 420. Jenem Fall lag eine einfache Schadensregulierung, die keinen besonderen Umfang gehabt hat, zu Grunde. Die Tätigkeit des RA im Fall des BGH hatte sich darin erschöpft, dass er sich das nicht schwer einzuordnende Unfallgeschehen angehört und die selbstverständlichen Folgen daraus gezogen hatte. Zum Haftungsgrund hatten sich überhaupt keine rechtlichen Probleme ergeben, weil sowohl vom Unfallablauf (Rückwärtsfahren) als auch wegen der Bestätigung durch die Bekl. die volle Haftung des Unfallgegners festgestanden hatte. Das Anspruchsschreiben des RA im Umfang von kaum mehr als einer Seite, mit dem die gesamten Reparaturkosten und die Erstattung der Sachverständigenkosten sowie eine angemessene Auslagenpauschale geltend gemacht wurden, hatte keiner schwierigen rechtlichen Beurteilung bedurft. Die bekl. Haftpflichtversicherung hatte den Schaden problemlos und zeitnahe reguliert.

In Anwendung der Grundsätze dieser BGH-Entscheidung war hier die Regulierung des Sachschadens zumindest durchschnittlich. Immerhin kam hier die Besonderheit hinzu, dass im Gebrauchtwagenhandel kein Fahrzeug verfügbar war, was dem beschädigten Wagen des Kl. entsprochen hatte. Die anwaltliche Tätigkeit wurde jedoch dadurch umfangreicher, dass sich der Anwalt des Kl. auch mit der Geltendmachung des Personenschadens, insb. dem Schmerzensgeld befassen musste. Hierzu musste sich der Anwalt – wie sein späterer Vortrag im Rechtstreit zeigte – mit der Rspr. befassen und vergleichbare Gerichtsentscheidungen ermitteln und auswerten. Damit wurde auch die anwaltliche Tätigkeit schwieriger als sie allein infolge der Geltendmachung des Sachschadens war.

Ich bin mir auch nicht sicher, ob das OLG Brandenburg an die Bewertung der Anwaltstätigkeit die richtigen Maßstäbe angelegt hat. Die vom OLG zitierte Entscheidung des BGH NJW 2008, 3641 = RVGreport 2008, 455 (Hansens) = AGS 2008, 539 befasst sich nämlich nur beiläufig mit der Angemessenheit der dort mit einem Satz von 1,3 zuerkannten Geschäftsgebühr; hauptsächlich ging es dabei um die anteilige Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die 0,8 Verfahrensgebühr. In jenem Fall hatte der RA bei unstreitiger Einstandspflicht der Kfz-Haftpflichtversicherung die Zahlung in zwei Telefonaten und dazu gehörenden Anwaltsschreiben angemahnt, die Versicherung hatte vorprozessual rund 6.400 EUR gezahlt. Der RA hatte eine 2,0 Geschäftsgebühr berechnet, was durch das vom Gericht eingeholte Gutachten des Vorstandes der RA-Kammer bestätigt wurde. Sogar die Versicherung hatte in ihre Abrechnung zunächst eine 2,0 Geschäftsgebühr eingestellt. Das Berufungsgericht hatte lediglich eine 1,3 Geschäftsgebühr zugesprochen, was der Kl. mit seiner Revision nicht beanstandet hatte. Auch der dieser Entscheidung des BGH zugrunde liegende Sachverhalt hatte somit eine weniger umfangreiche und schwierige Anwaltstätigkeit zum Gegenstand als dem Urt. des OLG Brandenburg hier zugrunde lag.

Leider lassen sich dem vom OLG mitgeteilten Sachverhalt keine Einzelheiten zum Umfang der anwaltlichen Tätigkeit (etwa Anzahl und Umfang der gefertigten Schreiben, Anzahl der Besprechungen mit dem Mandanten, Telefonate mit dem Sachverständigen oder mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung usw.) entnehmen. Dies mag seine Ursache auch darin haben, dass der Kl. hierzu nicht vorgetragen hatte. Dabei kann ein eingehender Sachvortrag zum Umfang und zur Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit durchaus von Erfolg gekrönt sein. Es ist somit im Interesse des Mandanten, wenn der RA in seiner Schadensersatzklage eingehend zum Umfang und zur Schwierigkeit der von ihm bei der vorgerichtlichen Schadensregulierung entfalteten Tätigkeit vorträgt und entsprechende Belege wie Schriftsätze oder Besprechungsnotizen einreicht.

Heinz Hansens

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