AKB 08 A 2.16.1.

Leitsatz

1. Gehen die Parteien zu Beginn eines Rechtsstreits unausgesprochen von der Geltung der AKB 08 für einen Versicherungsfall im Februar 2008 bei einem 2006 geschlossenen Versicherungsvertrag aus und widerspricht der Versicherer dem nach einem Hinweis des Gerichts, so ist er gehalten darzulegen, wie und wann es zu der – jedenfalls im Jahr 2008 erfolgten – Einbeziehung der AKB 08 gekommen sein soll.

2. Der Versicherer darf seine Leistung um 25 % kürzen, wenn der Vorwurf der grob fahrlässig fehlerhaften Sicherung eines verladenen Pkw allein darin besteht, dass der sachunkundige Versicherungsnehmer sich nicht hinreichend über notwendige technische Anforderungen vergewissert hat.

OLG Saarbrücken, Urt. v. 1.12.2010 – 5 U 395/09

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Vollkaskoversicherungsvertrag wegen eines vom Kl. verursachten Verkehrsunfalls vom 16.2.2008, für den die Bekl. wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls keine Entschädigung leisten will.

Der Vertrag wurde im Juni 2006 geschlossen.

Dem Vertrag lagen ursprünglich die damals gültigen AKB 2005 zu Grunde. Sie enthielten keine von § 61 VVG a.F. abweichende Regelung für eine Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls. Die Parteien streiten darüber, ob vor dem Versicherungsfall die nunmehr aktuellen, insoweit dem Versicherungsnehmer günstigeren AKB 2008 in den Vertrag einbezogen wurden. Nur diese Bedingungen wurden vom Kl. bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 29.12.2008 zur Akte gereicht und vom LG ausweislich des Tatbestandes der erstinstanzlichen Entscheidung als dem Vertrag zugrunde liegend betrachtet. Sie regeln in der von den Parteien und dem LG offenbar übersehenen Klausel A.2.16.1:

Wir verzichten Ihnen gegenüber auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles. Für die Pkw-Produktlinie "Basis" gilt abweichend: wir sind im Fall der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Wir verzichten hier nicht auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles.

Am 16.2.2008 hatte der Kl. in I einen Verkehrsunfall. Er transportierte mit dem versicherten Pkw auf einem Anhänger einen Porsche. Auf gerader Strecke scherte der Anhänger nach rechts aus. Der Kl. versuchte gegenzusteuern, konnte aber nicht verhindern, dass der Anhänger auf die Gegenfahrbahn geriet und mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammenstieß. Der Pkw des Kl. geriet ebenfalls ins Schleudern und kam entgegen der Fahrtrichtung an der rechten Leitplanke zum Stehen. Das Fahrzeug wurde durch den Anprall an die Leitplanke beschädigt, außerdem durch die Kollision mit der Abschleppwinde des Anhängers in Höhe der hinteren rechten Achse. Der Kl. war zuvor noch nie mit einem Anhänger gefahren.

Unfallursächlich war unstreitig der Umstand, dass der Porsche – der Motor, Getriebe und Differenzial und damit den Schwerpunkt im Fahrzeugheck hat – in Fahrtrichtung auf den Anhänger geladen worden war. Richtigerweise hätte er anders herum transportiert werden müssen.

2 Aus den Gründen:

" … Die volle Abweisung der Klage ist nicht gerechtfertigt.

1. Der Kl. hat einen Anspruch auf eine Kaskoentschädigung i.H.v. 75 % des durch den Unfall an dem versicherten Fahrzeug entstandenen Schadens …

a. Die bedingungsgemäßen Voraussetzungen für einen Zahlungsanspruch des Kl. sind dem Grunde nach erfüllt.

(1) Gesetzliche Grundlage für die rechtliche Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche ist – grds. – das VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung, weil der Vertrag vor dem 1.1.2008 geschlossen wurde und der als Versicherungsfall in Betracht kommende Unfall sich vor dem 31.12.2008 ereignet hat (Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 EGVVG).

(2) Indessen ist davon auszugehen, dass die maßgeblichen Vertragsbedingungen in den AKB 2008 enthalten sind, wie in erster Instanz wenn auch ohne Thematisierung des Problems unstreitig war.

(a) Der Senat geht davon aus, dass diese Bedingungen, soweit hier entscheidungserheblich, nach Vertragsschluss und vor dem Versicherungsfall (16.2.2008) wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind.

Der Kl. hat sie schon in erster Instanz zur Akte gereicht. Beide Parteien sowie das LG haben sie – wenn auch ohne die Regelung in Buchst. A.2.16.1 gesehen und ihre dem Kl. günstige Bedeutung für die Entschädigung bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls erkannt zu haben – als Bestandteil des Versicherungsvertrags behandelt. Die Bekl. zieht die Einbeziehung im Berufungsverfahren in Zweifel. Der Senat hält das für unbeachtlich. Der Kl. trägt vor, ihm sei die Broschüre mit den AKB 2008 mit dem Schreiben der Bekl. vom Februar 2008 zugesandt worden. Dass er tatsächlich im Besitz des Bedingungswerks gewesen ist, ist schon deshalb zweifelsfrei, weil er es (schon in erster Instanz) vorgelegt hat, ohne sich selbst auf die veränderte Regelung der Leistungsfreiheit zu berufen, also o...

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