Bei Anfechtungsklagen im Bereich des Verkehrsrechts – gerade beim Entzug der Fahrerlaubnis – gilt grundsätzlich als maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt die Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten Behördenentscheidung.:[20] In Ländern, in denen die Maßnahmen auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts einem Widerspruchsverfahren unterliegen,[21] stellt sich somit die Frage, ob die Tilgung von Punkten während des Widerspruchverfahrens dazu führt, dass ein Entzug der Fahrerlaubnis keinen Bestand haben kann, wenn für den Betroffenen zwar bei Erlass des Entzugsbescheids 18 Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen waren, bei Erlass des Widerspruchsbescheids aber weniger als 18 Punkte. In diesem Fall gilt die Ausnahme, dass das materielle Recht eine Abweichung von der Grundregel (maßgeblicher Zeitpunkt bei der Anfechtungsklage letzte Behördenentscheidung) bestimmt:[22] Wenn in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG der Gesetzgeber denjenigen, dessen Punktestand 18 Punkte im Verkehrszentralregister erreicht, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ansieht, so kann eine spätere Verringerung des Punktestandes diesen Mangel nicht verändern. Vielmehr muss der Betroffene für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 10 Satz 3 StVG grundsätzlich eine positive medizinisch-psychologische Untersuchung beibringen. Dafür werden dann die zuvor für ihn eingetragenen Punkte gestrichen (§ 4 Abs. 2 Satz 3 StVG). Auch diese Frage ist erst vor Kurzem höchstrichterlich geklärt worden,[23] sie wurde zuvor unterschiedlich beantwortet.[24]

[20] BVerwG vom 27.9.1996, BVerwGE 99, 249; Jörg Schmidt, in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, Rn 47 zu § 113.
[21] Nach BayVGH vom 7.8.2008, 11 CS 08.1854 soll der Entzug der Fahrerlaubnis als "personenbezogene Prüfungsentscheidung" im Sinn des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 6 des Bayerischen Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung anzusehen sein, weshalb ein fakultatives Widerspruchsverfahren möglich ist.
[22] BVerwG vom 25.9.2008, 3 C 21.07; OVG NRW vom 24.5.2006, DAR 2007, 164; OVG SA vom 26.5.2008, 3 M 445/08; BayVGH vom 8.6.2007, NJW 2008, 1547; VGH BW vom 17.2.2005, DÖV 2005, 746; a.A. OLG Bremen vom 29.6.2006, NJW 2007, 394 (maßgeblich Punktestand im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids); dieser Auffassung zuneigend: RhPfOVG vom 19.7.2006, zfs 2006, 482.
[24] Maßgeblich für den Punktestand sei der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids: OVG Bremen vom 29.6.2006, NJW 2007, 394; dieser Auffassung zuneigend: RhPfOVG vom 19.7.2006, zfs 2006, 482.

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