…“II.

[15] Die Erinnerung ist nach § 84 Abs. 2 S. 2 HS 2 PatG, § 104 Abs. 1, Abs. 3 ZPO i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 12, Abs. 2 RPflG zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

[16] 1. Denn im Rahmen der Festsetzung der aufgrund des Urteils des X. ZS des BGH vom 17.9.2020 gemäß § 84 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 2 PatG, § 104 Abs. 1 ZPO von der Beklagten an die Klägerin zu 1) zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens hat die Rechtspflegerin am BPatG dem Antrag der Klägerin zu 1) vom 1.2.2022 auf Erstattung weiterer 17.712,80 EUR zu Recht entsprochen.

[17] Entgegen der von der Beklagten geäußerten Rechtsauffassung steht dem nicht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 17.6.2021 entgegen. Zwar geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass Kostenfestsetzungsbeschlüsse – wie hier der Beschl. v. 17.6.2021 – formell und materiell in Rechtskraft erwachsen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.1.2003 – V ZB 51/02, AGS 2003, 176 = BRAGOreport 2003, 57 (Hansens) = NJW 2003, 1462).

[18] Über den hier im Nachfestsetzungsverfahren beantragten Teil der Terminsgebühr wurde, wie die Rechtspflegerin im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, jedoch im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.6.2021 nicht entschieden.

[19] Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bezieht sich nur auf die im Antrag geforderten und im Beschluss beschiedenen Beträge (vgl. BGH, Beschl. v. 28.10.2010 – VII ZB 15/10, BGHZ 187, 227-231, Rn 9 = zfs 2011, 101 m. Anm. Hansens = AGS 2010,580 = RVGreport 2011, 28 (Hansens)). Eine Nachforderung eines bislang nicht geltend gemachten Teils bezüglich desselben Postens hindert sie grundsätzlich nicht (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 103 Rn 12; PG/K. Schmidt, ZPO, 2. Aufl., § 103 Rn 27; MüKoZPO/Giebel, 3. Aufl., § 104 Rn 128 f.; vgl. OLG Stuttgart, RVGreport 2009, 312 (Hansens), zur Nachfestsetzung der Umsatzsteuer; BVerfG, Rpfleger 1995, 476, zur Nachfestsetzung der Erhöhungsgebühr für Mehrvertretung). Zur Begründung verweist der BGH in seinem Beschl. v. 28.10.2010 (a.a.O.) auf das allgemeine Verständnis der Rechtskraftwirkung bei offenen (BGH, Urt. v. 30. 1. 1985 – IVb ZR 67/83, BGHZ 93, 330) und verdeckten Teilklagen (BGH, Urt. v. 9. 4. 1997 – IV ZR 113/96, BGHZ 135, 178, BGHZ 135, 178), wonach die Rechtskraft des Urteils nur den geltend gemachten Anspruch im beantragten Umfang ergreift; eine Erklärung des Klägers, er behalte sich darüber hinausgehende Ansprüche vor, ist nicht erforderlich. Soweit ein Antrag nur beschränkt geltend gemacht worden ist, ist grundsätzlich über den überschießenden Teil nicht entschieden.

[20] Eine Entscheidung über die Frage, ob der Erinnerungsführerin eine höhere als die beantragte Terminsgebühr zusteht, hat die Rechtspflegerin im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.6.2021 nicht getroffen.

[21] Eine Nachfestsetzung eines Teils der Terminsgebühr, über die im Kostenfestsetzungsverfahren nicht entschieden worden ist, weil zunächst eine 1,2 anstelle einer 1,5 Terminsgebühr beantragt worden ist, ist danach möglich (vgl. auch N. Schneider, FamRZ 2009, 1823, 1824; Hansens, RVGreport 2009, 354, 355; ders. RVGreport 2009, 417, 418; Thiel, AGS 2010, 308), weil die Rechtspflegerin über eine höhere Terminsgebühr als die bislang festgesetzte 1,2 Terminsgebühr bislang nicht entschieden hat.

[22] Der Argumentation der Erinnerungsführerin, eine 1,2 Terminsgebühr gemäß § 2 Abs. 2 Anl. 1 Nr. 3202 VV RVG sei nicht Teil einer 1,5 Terminsgebühr gemäß § 2 Anl. 1 Nr. 3210 VV RVG, beide Normen hätten unterschiedliche Voraussetzungen und schlössen sich gegenseitig aus, steht einer Nachfestsetzung nicht entgegen. Nr. 3210 VV RVG entspricht inhaltlich Nr. 3202 VV RVG (vgl. Toussaint, Kostenrecht, 52. Auflage 2022, Rn 1 – 2 zu Nrn. 3210, 3211 VV RVG). Beide Gebührentatbestände betreffen jeweils einen Satz einer bestimmten Wertgebühr nach § 13 RVG in Form einer Terminsgebühr. Eine bereits geltend gemachte 1,2 Terminsgebühr lässt sich daher stets um die Differenz zur höheren 1,5 Terminsgebühr desselben Gegenstandswerts ergänzen, sofern, wie hier, die Voraussetzungen zur Liquidation gemäß § 13, § 33, § 2 Abs. 2 Anl. 1 und Nr. 3210 VV RVG gegeben sind.

[23] Auf die von ihr zitierte Entscheidung des BGH vom 10.3.2011 (BGH, Beschl. v. 10.3.2011 – IX ZB 104/09, Rn 8, AGS 2011, 566 = RVGreport 2011, 309 (Hansens)) vag sich die Beklagte in diesem Verfahren ebenfalls nicht mit Erfolg zu berufen. Im Unterschied zum hiesigen Sachverhalt hatte die Schuldnerin im dortigen Verfahren mit ihrem ersten Kostenfestsetzungsantrag erkennbar ihren gesamten Anspruch auf Erstattung der Verfahrensgebühr geltend gemacht und auf der Grundlage des von ihr für richtig gehaltenen Gegenstandswerts die volle Verfahrensgebühr zur Festsetzung beantragt. Auf diese Weise hatte sie dort – im Unterschied zur hiesigen Klägerin zu 1) – zu erkennen gegeben, dass sie ihren ganzen Anspruch und nicht nur einen Teil davon festgesetzt haben wollte …“

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