[6] Nach dem durch das Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt haben die Bekl. ihnen obliegende Pflichten, die dem VN der Kl. gegenüber bei Abschluss des Vergleichs in dem Arzthaftungsprozess bestanden, zwar verletzt. Ein Schaden ist hierdurch aber nicht verursacht worden. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des BG, der Anspruch des VN der Kl. auf Ersatz der Heilbehandlungskosten sei durch den geschlossenen Vergleich abgegolten worden.

[7] 1. Der in der Sozietät der Bekl. angestellte Rechtsanwalt hat die ihm im Zusammenhang mit dem in dem Arzthaftungsprozess abgeschlossenen Abfindungsvergleich obliegenden Pflichten dem VN der Kl. gegenüber verletzt.

[8] a) Ein Rechtsanwalt, der bei einer Vertragsgestaltung mitwirkt, hat bei der Abfassung des Vertragstextes für eine richtige und vollständige Niederlegung des Willens seines Mandanten und für einen möglichst eindeutigen und nicht erst der Auslegung bedürftigen Wortlaut zu sorgen (vgl. BGH, NJW 2002, 1048, 1049). Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte Entscheidungen in seinen Rechtsangelegenheiten zu ermöglichen (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 1594 Rn 14 m.w.N.). Im Rahmen von Verhandlungen zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Interessen des Mandanten umfassend und nach allen Richtungen wahrzunehmen und ihn vor vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Der Rechtsanwalt muss den Mandanten auf Vor- und Nachteile des beabsichtigten Vergleichs hinweisen und im Einzelnen darlegen, welche Gesichtspunkte für und gegen den Abschluss des Vergleichs sprechen (vgl. BGH, NJW 2016, 3430 Rn 8 m.w.N.). Sieht der Vergleich vor, dass mit dessen Abschluss alle gegenseitigen Forderungen der Parteien erledigt sind (sogenannter Abfindungsvergleich), bestehen für den Auftraggeber besondere Risiken. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Abgeltung auch auf zukünftige, zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch unbekannte Schäden erstreckt. Der Rechtsanwalt hat bei Abfindungsvergleichen darauf zu achten, dass tatsächlich alle Ansprüche in den Vergleich einbezogen werden, die abgefunden und erledigt sein sollen (vgl. Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 5. Aufl., § 12 Rn 49). Wegen der Eigenschaft eines Vergleichs als materiell-rechtlicher Vertrag sind insbesondere auch die Pflichten des Rechtsanwalts bei der Gestaltung von Verträgen zu beachten (vgl. Vill in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Pape/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl., § 2 Rn 286). Der Rechtsanwalt hat bei einem Auftrag, der eine Vertragsgestaltung zum Gegenstand hat, den Mandanten über die rechtliche Tragweite der einzelnen Klauseln aufzuklären (…). Aufgabe des Rechtsanwalts, der mit einer Rechtsgestaltung beauftragt ist, ist es ferner, schon durch die Wortwahl seiner Erklärung Klarheit zu schaffen. Der Rechtsanwalt darf es regelmäßig gar nicht erst dazu kommen lassen, dass der Wortlaut eines Vertrags zu Zweifeln überhaupt Anlass gibt (vgl. BGH, NJW 1996, 2648, 2650). Ein Auslegungsrisiko muss ein juristischer Fachberater nach Möglichkeit vermeiden. Den sichersten Weg hält er daher nur ein, wenn seine Erklärung unmissverständlich ist (…). Dazu gehört die zutreffende Verwendung der einschlägigen Fachausdrücke (vgl. BGH, a.a.O.).

[9] b) Der Wortlaut des in dem Arzthaftungsprozess geschlossenen Vergleichs ist für sich betrachtet eindeutig. Danach sind alle Ansprüche des VN aus dem streitbefangenen Behandlungsverhältnis, soweit sie nicht auf Dritte übergegangen sind, abgegolten und erledigt, seien sie bekannt oder unbekannt, gegenwärtig oder zukünftig, materiell oder immateriell. Der Wortlaut bezieht sich dabei auf alle Ansprüche des VN, die diesem aus dem streitbefangenen Behandlungsverhältnis zustehen (können) und nicht auf Dritte übergegangen sind. Damit werden auch Ansprüche des VN, die zukünftig auf Dritte übergehen würden, von dem Vergleich erfasst. Ferner erfasst wird der Anspruch des VN auf den Ersatz von Heilbehandlungskosten, die aufgrund der Schädigung angefallen und nicht auf Dritte übergegangen sind oder noch anfallen werden. Denn auch dieser Anspruch entstammt dem streitbefangenen Behandlungsverhältnis.

[10] c) Zweifel an einem so weitgehenden Regelungsinhalt des Vergleichs ergeben sich jedoch aus dem Umstand, dass der VN mit seiner Klage keinen Anspruch auf den Ersatz von Heilbehandlungskosten gegen die Ärztin geltend gemacht hat. Vielmehr hat der VN in dem Arzthaftungsprozess lediglich den Ersatz für von ihm geleistete Zuzahlungen, also für Zahlungen, die ihm nicht durch die Kl. erstattet worden sind, verlangt. Nachdem Sinn und Zweck des Vergleichs aber die Beendigung des Rechtsstreits war, ergibt sich aus den dort streitgegenständlichen Ansprüchen die Auslegungsbedürftigkeit des nach seinem Wortlaut umfassenden Vergleichs (vgl. BGHZ 86, 41, 46 m.w.N.) hinsichtlich dessen Tragweite (vgl. BGH, NJW 2003, 1036, 1037 f.).

[11] Ferner ist zu berücksichtigen, dass mit dem in dem Arzthaft...

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