Zitat

… . II. Die als sofortige Beschwerde auszulegende "befristete Erinnerung" des Klägers ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

1. Da der Beschwerdegegenstand den Wert von 200,00 EUR überschreitet, ist die befristete Erinnerung unzulässig. Sie war umzudeuten in eine sofortige Beschwerde … .

2. Die sofortige Beschwerde des Klägers bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem angegriffenen Beschluss zurecht die Nr. 3506 VV RVG zugrunde gelegt, ein Fall der vorzeitigen Beendigung des Auftrages im Sinne der Nr. 3507 VV RVG liegt nicht vor.

a. Die 1,6-Gebühr der Nr. 3506 VV RVG ist mit der auftragsgemäßen Bestellung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Schriftsatz vom 23.10.2019 entstanden. Der Kläger hat nämlich mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 2.10.2019 beim BAG eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 4.11.2019 begründet. Der Bestellungsschriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist im Zeitraum zwischen der Einlegung der Beschwerde und der Begründung derselben mit Schriftsatz vom 23.10.2019 erfolgt. Dies kann nicht mehr streitig sein, denn dies ergibt sich aus der beigezogenen Beschwerdeakte des BAG. Eines Sachantrages oder gar einer Begründung bedurfte es für das Entstehen der Gebühr nicht. Die Verfahrensgebühr entsteht mit dem Auftrag des Mandanten. Die Entstehung setzt voraus, dass der Rechtsanwalt in Erfüllung seines Auftrages im Beschwerdeverfahren in irgendeiner Weise tätig geworden ist (Gierl/Maué in: Mayer/Kroiß, RVG 7. Auflage Nrn 3200–3205 VV Rn 2). Das ist hier geschehen durch die Absendung des Bestellungsschriftsatzes.

b. Es liegt kein Fall der "vorzeitigen Beendigung des Auftrages" im Sinne der Nr. 3507 VV RVG vor, der die Reduzierung der Gebühr auf 1,1 rechtfertigen könnte. Was unter einem Fall der "vorzeitigen Beendigung" zu verstehen ist, ergibt sich aus der Nr. 3201 VV RVG, auf die die Nummer 3507 VV RVG Bezug nimmt. Dort heißt es wörtlich:

(1) Eine vorzeitige Beendigung liegt vor,

1. wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt das Rechtsmittel eingelegt oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Rechtsmittels enthält, eingereicht oder bevor er einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat, oder

2. soweit Verhandlungen vor Gericht zur Einigung der Parteien oder der Beteiligten oder mit Dritten über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt werden; der Verhandlung über solche Ansprüche steht es gleich, wenn beantragt ist, eine Einigung zu Protokoll zu nehmen oder das Zustandekommen einer Einigung festzustellen (§ 278 Abs. 6 ZPO).

Hier liegt eine vorzeitige Beendigung im vorgenannten Sinn schon deshalb nicht vor, weil von "vorzeitig" nicht die Rede sein kann. Der Auftrag endete nämlich durch eine Entscheidung des BAG und nicht vorher, zum Beispiel durch Beschwerderücknahme, durch Vergleich, durch Klagerücknahme oder ähnlichem. Aber auch die sonstigen Voraussetzungen einer "vorzeitigen Beendigung" im oben genannten Sinne liegen nicht vor, denn sie betreffen alle die Tätigkeitsentfaltung des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers und nicht etwa den des Beschwerdegegners.

Ein Fall der Erledigung "bevor der Rechtsanwalt das Rechtsmittel eingelegt hat" ist hier ganz offensichtlich nicht gegeben, denn dieser Ausnahmetatbestand betrifft den Klägervertreter, dessen Mandant die Berufung verloren hatte und nicht den Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Der Klägervertreter hatte es mit seinem Mandanten in der Hand, das Beschwerdeverfahren vorzeitig, also vor einer Entscheidung des BAG zu beenden und damit das Gebührenprivileg auszulösen. Das hat er nicht getan, er hat ganz im Gegenteil nicht nur das Rechtsmittel eingelegt; er hat es auch begründet.

Aus dem gleichen Grund kommen auch die übrigen Privilegierungstatbestände aus Nr. 3201 VV RVG nicht in Betracht, weil sie alle in den Händen des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten lagen und nicht in denen der Beklagten. Die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Beklagten kann nur dann im Sinne der Regelung "vorzeitig beendet" sein, wenn das Beschwerdeverfahren endet, bevor ein Schriftsatz des Klägers, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Rechtsmittels enthält, eingereicht worden ist. Das ist alles nicht geschehen. Zu Unrecht vertritt der Kläger die Auffassung, es käme darauf an, in welchem Umfang der Prozessbevollmächtigte der Beklagten aktiv geworden ist. Richtig ist vielmehr, dass es auf das prozessuale Verhalten seines eigenen Prozessbevollmächtigten ankommt, wie "teuer" das Verfahren wird, oder anders ausgedrückt, ob ein Gebührenprivileg angenommen werden kann …

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