VVG § 172, BUZBB § 1 § 2

Leitsatz

1. Ein Systemadministrator, der jederzeit auf Abruf für Störungsbeseitigungen zur Verfügung stehen muss und an psychisch vermittelten permanenten Ganzkörperschmerzen leider, ist berufsunfähig.

2. Die Ausübung gelegentlicher sportlicher Aktivitäten steht der Annahme von Berufsunfähigkeit nicht entgegen.

3. Eine leidensbedingte Veränderung seiner Tätigkeit ändert an dem Maßstab des bis zu der Veränderung ausgeübten Berufs nichts.

OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.7.2021 – 5 U 107/08

Sachverhalt

Der VN, der bei der Bkl seit 2002 einen Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrag unterhielt, war bis Juli 2011 bei der Fa. K als IT-Systemadministrator beschäftigt. Seine Arbeitszeit betrug 40 Stunden wöchentlich. Seine Tätigkeit bestand i.W. darin, eine Vielzahl von Usern bei der PC-Arbeit auf telefonischen Kontakt hin vor allem auch vor Ort zu unterstützen. Ab April 2011 war er ununterbrochen arbeitsunfähig geschrieben; das Arbeitsverhältnis endete dann durch Kündigung. Später war der VN von April 2013 bis März 2017 teilzeitbeschäftigt, danach war er im Rahmen eines Minijobs tätig.

2 Aus den Gründen:

… Nach dem Ergebnis der im Berufungsrechtszug ergänzten Beweisaufnahme steht mit der erforderlichen Gewissheit fest, dass der Kl. seit dem 10.1.2012 bedingungsgemäß zu mehr als 50 Prozent berufsunfähig ist, weil er an diesem Tag voraussichtlich mindestens 6 Monate ununterbrochen zu mehr als 50 Prozent außerstande war, seinen zuletzt ausgeübten Beruf als IT-Systemadministrator auszuüben, und er auch keine andere Tätigkeit ausgeübt hat, auf die er sich von der Bekl. verweisen lassen müsste.

a) Zur Beurteilung der Frage, ob Berufsunfähigkeit des Kl. in seinem früheren Beruf vorliegt, ist von der zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeit des Kl. als Systemadministrator bei der Firma K. auszugehen, wie sie vor deren Beendigung konkret ausgestaltet war; auch davon ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgegangen:

aa) Bei der Feststellung, ob bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliegt, ist grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h. solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war (BGH, VersR 1993, 1470). Auf spätere Veränderungen erst nach dem behaupteten Eintritt von Berufsunfähigkeit ist nicht abzustellen, zumal wenn diese, was in solchen Fällen regelmäßig nahe liegt, lediglich eine leidensbedingte Reaktion auf bereits vorhandene gesundheitliche Einschränkungen darstellen (vgl. BGH, VersR 2017, 216; …). Deshalb bleibt die Tätigkeit, die der Kl. vor seiner Krankschreibung im Frühjahr 2011 ausgeübt hat und in die er in der Folgezeit krankheitsbedingt nicht mehr zurückgekehrt ist, für diese Beurteilung weiter maßgeblich. Darauf, dass er – allerdings erst wesentlich später und insbesondere auch erst nach dem sachverständig festgestellten Eintritt von Berufsunfähigkeit – eine neue Teilzeittätigkeit bei der Landtagsfraktion aufnahm, kommt es insoweit nicht an.

bb) Hinsichtlich der Ausgestaltung der zuletzt ausgeübten, für die Beurteilung maßgeblichen Tätigkeit ist von den tatsächlichen Feststellungen auszugehen, …). Danach war der Kl. bei der Firma K. vollschichtig in Gleitzeit 40 Stunden pro Woche tätig, der Schwerpunkt seiner Arbeit bestand vornehmlich in PC-Arbeiten. Zu seinen Aufgaben zählte die Betreuung von ca. 100 Mac-Usern, wobei die Betreuung den First-, Second- und Thirdsupport beinhaltete; bei Problemen wurde der Kl. zunächst telefonisch kontaktiert, im Bedarfsfall musste er sich auch vor Ort begeben, außerdem leistete er Unterstützung bei der Beschaffung von Hard- und Software. Wie das LG auf der Grundlage einer eingehenden Anhörung des Kl. in dem angefochtenen Urteil weiter ausführt, bestand sein typischer Arbeitstag darin, dass er schon am Morgen Anrufe erhielt, die Störungen betrafen, die er im Wege der Fernwartung, aber auch vor Ort, schnellstmöglich zu beheben hatte. Darüber hinaus gab es Sondereinsätze bei dem Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens und dessen Familie, die der Kl. persönlich zu betreuen hatte. In etwa die Hälfte des Arbeitstages entfiel auf Tätigkeit im eigenen Büro, der Rest der Zeit auf Außeneinsätze. Der größere Teil der Einsätze betraf wiederkehrende Routinetätigkeiten, allerdings brachte neue Software auch immer wieder neue Probleme mit sich …

b) Dieser Tätigkeit konnte der Kl. seit dem 10.1.2012 gesundheitsbedingt voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 Prozent nicht mehr nachgehen. Der Senat hält es … für erwiesen (§ 286 ZPO), dass der Kl., entsprechend seiner Darstellung, an psychisch vermittelten Ganzkörperschmerzen leidet, die ihm die Wahrnehmung von seinen früheren Beruf maßgeblich prägenden Tätigkeiten in bedingungsgemäßem Umfange unmöglich machen.

aa) Der Kl. hat seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die Auswirkungen, die sich daraus für seinen früheren Beruf ergeben, … ausführlich und nachvollziehbar geschildert. Da sein früherer Be...

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