Die Entscheidung des OLG Karlsruhe zeigt sehr schön die Grundlagen und Grenzen der so genannten rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht auf, anhand derer oftmals versucht wird, eine fehlgeschlagene Zustellung zu "retten" (vgl. hierzu auch Krenberger, NZV 2020, 393, 395). Die Feststellung, ob zum Zeitpunkt der Zustellung an den Verteidiger eine ihm rechtsgeschäftlich erteilte Zustellungsvollmacht vorlag, beurteilt sich im Einzelfall nach den Gesamtumständen und dem Auftreten des Rechtsanwaltes im Verfahren (KG NStZ-RR 2016, 289). Dabei kommt es nur darauf an, ob die Vollmacht tatsächlich zum Zeitpunkt der Zustellung bestand, das heißt, ob sie vom Vollmachtgeber tatsächlich erteilt worden ist (KG NStZ-RR 2015, 226). Auszulegen ist dabei das gesamte aus den Akten ersichtliche Verhalten des Rechtsanwaltes, also ob es dem eines beauftragten Wahlverteidigers entspricht (vgl. dazu u.a. OLG Saarbrücken NStZ-RR 2016, 218). Angesichts der Reichweite der Fiktion einer solchen Zustellungsvollmacht, insb. der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Zustellung von Entscheidungen unabhängig von dem und damit in der Wirkung auch gegen den Willen des Betr., weil der Verteidiger in diesem Fall nicht der Beistand des Betr., sondern dessen gesetzlich bestimmter Vertreter ist, ist eine restriktive Handhabung eines solchen Vollmachtsrückschlusses geboten.

Andere Entscheidungen haben aus dem Verhalten, wie es hier dokumentiert wurde, bereits die Stellung als wenigstens mündlich beauftragter Verteidiger angenommen (OLG Jena, Beschl. v. 22.2.2018 – 1 OLG 161 SsBs 13/17, juris) bzw. abgelehnt (OLG Celle, Beschl. v. 27.3.2019 – 2 Ss (OWi) 101/19, juris). Dass das OLG Karlsruhe der restriktiven Linie folgt, stärkt die Vorgaben des § 51 Abs. 3 OWiG. Auch der zeitliche Ansatz ist zutreffend: aus dem Verhalten nach erfolgter Zustellung kann nicht zwingend geschlossen werden, dass eine Vollmacht rückwirkend oder von Anfang an erteilt war: Ab dem Zeitpunkt, in dem sich der Rückschluss auf eine Vollmacht als sicher erweist, läge allenfalls eine Bevollmächtigung zur Entgegennahme von Zustellungen ex nunc vor (vgl. KG, Beschl. v. 8.11.2018 – 3 Ws (B) 249/18, juris, zur nachträglich ausgestellten Vollmacht).

RiAG Dr. Benjamin Krenberger

zfs 2/2021, S. 110 - 112

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