Einführung

Dreh- und Angelpunkt des Haftungsrechts ist der Zurechnungszusammenhang. Doch was genau ist darunter zu verstehen? Der Jubilar formuliert in Rn 73 seiner umfassenden Kommentierung zu § 823 BGB[2] : "Der Schädiger ist zum Ausgleich nur der von ihm verursachten Schäden verpflichtet." Das klingt eigentlich ganz einfach. Leider ist es das aber nicht, wie der Leser bereits bei dem ersten Blick auf die umfangreiche Gliederung der genannten Kommentierung erkennt. In Rn 78 erfährt der Leser, dass "der wertfreie, mechanische Ursachenzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und der Verletzung des Geschädigten … vornehmlich in Grenzfällen nicht aus[reicht], den Zurechnungszusammenhang für eine auf dem Willensmoment beruhende Unrechtshaftung zufriedenstellend zu begründen. Auch zusammen mit den Wertungskorrekturen von Rechtswidrigkeit und Verschulden kann Kausalität diese Aufgabe nicht immer leisten". Damit wird der Problemkreis treffend beschrieben.

Gegenstand dieses Beitrags sind ausgewählte Fragen der Zurechnung im Rahmen der § 823 Abs. 1 BGB, § 7 Abs. 1 StVG. Nicht eingegangen wird auf die dogmatischen Grundlagen. Wer sich hiermit näher befassen möchte, sei auf die ausführliche Kommentierung des Jubilars[3] verwiesen, die bis heute nicht an Bedeutung verloren hat. Nicht Gegenstand des Beitrags ist auch der Betriebsbegriff[4] im Sinne des § 7 StVG. Er wird das Thema eines Vortrags von Frau Dr. Jutta Laws sein, dem nicht vorgegriffen werden soll.

[2] RGRK-BGB/Steffen, 12. Aufl.
[3] RGRK-BGB/Steffen, 12. Aufl., § 823 Rn 73 ff., 469 f.
[4] Vgl. hierzu zuletzt Piroth/Schmitz-Justen NZV 2020, 293 m.w.N.

1. Kausalzusammenhang als Grundlage der Zurechnung

a) Allgemeines

Das Grunderfordernis jeder Schadenszurechnung bildet die Verursachung des Schadens. Ein Verhalten des Schädigers führt nur dann zur Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB, wenn es kausal für die eingetretene Rechtsgutsverletzung[5] und die Rechtsgutsverletzung wiederum kausal für den Schaden[6] geworden ist.

Entsprechendes gilt für die Gefährdungshaftung aus § 7 Abs. 1 StVG. Hier ist zur Haftungsbegründung eine kausale Verknüpfung zwischen dem Betrieb des Kraftfahrzeugs und einer Verletzung der in der Bestimmung genannten Rechtsgüter erforderlich.[7] Das Tatbestandsmerkmal "bei dem Betrieb eines Kfz" enthält ein deskriptives Element ("Betrieb eines Kfz") und ein kausales Element ("bei").[8] An dem erforderlichen ursächlichen Zusammenhang kann es bei den sogenannten "Unfällen ohne Berührung" fehlen. Die bloße Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle reicht nicht aus, um die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG zu begründen. Erforderlich ist vielmehr, dass das nicht unmittelbar am Unfall beteiligte Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat.[9] Das Fahrverhalten seines Fahrers muss in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst haben und damit ursächlich für den Unfall geworden sein.[10] So rechtfertigt allein die Tatsache, dass einer von zwei sich begegnenden Lastzügen im Zeitpunkt der Begegnung von der Fahrbahn abkommt, noch nicht die Annahme, dass der Schaden bei dem Betrieb des anderen Fahrzeuges entstanden sei.[11]

[5] Haftungsbegründende Kausalität.
[6] Haftungsausfüllende Kausalität.
[7] BGH, Urt. v. 26.4.2005 – VI ZR 168/04, Rn 10; v. 17.9.2013 – VI ZR 95/13, VersR 2013, 1406, juris Rn 14 Greger/Zwickel in: Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl. 2014, § 3 Haftung des Kfz-Halters, Rn 66.
[8] Vgl. Greger/Zwickel in: Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl. 2014, § 3 Haftung des Kfz-Halters, Rn 50.
[10] BGH, Urt. v. 22.11.2016 – VI ZR 533/15, VersR 2017, 311 Rn 14, 18; v. 22.10.1968 – VI ZR 178/67, VersR 1969, 58; v. 10.3.1959 – VI ZR 77/58, VersR 59, 636.
[11] BGH, Urt. v. 21.11.1967 – VI ZR 108/66, VersR 68, 176, juris Rn 9 f.

b) Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität

aa) Bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs ist zwischen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden. Die haftungsbegründende Kausalität betrifft den Zusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsgutsverletzung, d.h. dem ersten Verletzungserfolg, häufig auch Primärverletzung oder Primärschaden genannt. Insoweit gilt das strenge Beweismaß des § 286 ZPO, das die volle Überzeugung des Gerichts erfordert. Hingegen bezieht sich die haftungsausfüllende Kausalität auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Rechtsgutsverletzung und weiteren Schäden (Sekundärschäden). Hier richtet sich die Beweisführung nach § 287 ZPO; zur Überzeugungsbildung kann eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen.[12]

Die Unterscheidung zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität ist nicht nur in Hinblick auf das unterschiedliche Beweismaß, sondern auch für den Verschuldensbezug im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB von Bedeutung. Der Verschuldensvorwurf muss sich auf den gesamten haftungsbegründenden Tatbestand – mithin auch auf...

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