In der Kommentierung ist als möglicher Beiordnungsgrund wegen schwieriger Sachlage benannt, dass sich der Betroffene nur bei Kenntnis des Akteninhalts, etwa wegen eines Gutachtens oder zwecks Prüfung der Wirksamkeit der Zustellung, effektiv verteidigen kann.[35] Demgegenüber weist das AG Ahrensburg[36] darauf hin, dass das Problem der fehlenden Akteneinsicht des unverteidigten Betroffenen bei üblichen Aktenbestandteilen nicht zur Beiordnung führen kann, denn für Einsicht, Verlesung und Erörterung sind die Hauptverhandlung und der Unmittelbarkeitsgrundsatz vorgesehen. Das OLG Hamm[37] hat die Auseinandersetzung mit mehreren Sachverständigengutachten zur Frage der Verwirklichung des objektiven und subjektiven Tatbestandes des Führens eines Kraftfahrzeugs unter der berauschenden Wirkung von Cannabis als so schwerwiegend erachtet, dass es dem Gebot eines fairen Verfahrens widersprechen würde, eine Beiordnung nicht vorzunehmen, wenn nur ein Verteidiger Akteneinsicht erhält. Die beiden letztgenannten Entscheidungen treffen den Kern exakt: bei Sonderfällen, gerade wenn eine Auseinandersetzung mit einem oder mehreren Gutachten vor der Hauptverhandlung unumgänglich ist, um sich effektiv verteidigen zu können, würde die fehlende Akteneinsicht für eine Beiordnung sprechen, nicht aber im Allgemeinen, gerade dann nicht, wenn es sich um typische Massenverfahren handelt.

[35] Seitz in: Göhler, OWiG, 16. Aufl., 2012, § 60, Rn 26a; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.1.1991 – 3 Ws 57/91 – VRS 83, 193.
[36] AG Ahrensburg, Beschl. v. 7.12.2011 – 52 OWi 435/11 – VRR 2012, 117.

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