In zwei kürzlich, am 21. September 2010, ergangenen Urteilen behandelte der Senat die Frage, ob Ausweichmanöver der Betriebsgefahr eines anderen Fahrzeugs zugerechnet werden können.

Ein Polizeibeamter fuhr mit dem privaten Motorrad auf der Bundesstraße. Er wollte zwei vor ihm fahrende Pkw überholen. Der Fahrer des unmittelbar vor ihm fahrenden Pkw setzte seinerseits zum Überholen des vorausfahrenden Pkw an. Ohne einen der Pkw zu berühren, kam der Polizeibeamte mit dem Motorrad von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum.

Der Polizeibeamte klagte gegen den Pkw-Fahrer und -Halter sowie gegen dessen Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz. Der Pkw-Fahrer habe nach links auf die Gegenfahrbahn gelenkt, als er mit dem Motorrad bereits zum Überholen der beiden Pkw angesetzt habe. Dadurch sei er gezwungen gewesen, weiter nach links auszuweichen und von der Fahrbahn abgekommen.

In dem zweiten, diesen Unfall betreffenden Rechtsstreit machte das klagende Land aus übergegangenem Recht Schadensersatz wegen dem Polizeibeamten gewährter Fürsorgeleistungen geltend.

Das Berufungsgericht wies die auf § 7 StVG gestützten Klagen ab. Es fehle an dem Zurechnungszusammenhang. Der Kl. habe bei seinem Fahrmanöver nicht subjektiv vertretbar eine Gefährdung durch den vor ihm fahrenden, zum Überholen ansetzenden Pkw annehmen dürfen.

Der Senat hat diese Erwägung nicht gebilligt. Auch ein Unfall infolge einer voreiligen – also objektiv nicht erforderlichen – Abwehr- oder Ausweichreaktion kann dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst hat.[8] Es ist nicht vonnöten, dass die Ausweichreaktion des Geschädigten aus dessen Sicht erforderlich war, sich für ihn gar als einzige Möglichkeit darstellte, eine Kollision zu vermeiden.

Im Streitfall konnten die genauen zeitlichen Abläufe nicht geklärt werden; es stand aber fest, dass der klagende Motorradfahrer ein Ausweichmanöver unternommen hatte, das dem zum Überholen ansetzenden Pkw des Bekl. galt. Damit hatte sich der Unfall "bei dem Betrieb" des Pkw des Bekl. ereignet.

Von Bekl.-Seite war noch eingewandt worden, der Kl. habe versucht, gleichsam auf einer dritten Spur die beiden vor ihm fahrenden Pkw gleichzeitig – als sie sich auf gleicher Höhe befanden – zu überholen. Auch dann hätte sich das Ausweichmanöver des Kl., das zu dem Unfall führte, aber auf den Pkw des Bekl. bezogen, hätte sich dessen Betriebsgefahr verwirklicht.[9]

[7] BGH, Urteile vom 21.9.2010 – VI ZR 263/09 und VI ZR 265/09.
[9] BGH a.a.O. Rn 8.

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