Die "Umstellung" und Änderung des bisherigen § 847 BGB im Zuge der Reform des Schadensersatzrechts bedeutet ebenfalls eine Ausweitung insoweit, als – auf Grund der jetzigen Stellung der Norm im Gesetz – Schmerzensgeld seit dem nicht nur bei deliktischen, sondern auch bei vertraglichen Anspruchsgrundlagen gewährt wird.[50] Durch die weitere Ausweitung ebenfalls auf die Fälle der Gefährdungshaftung[51] ist zudem auch insoweit das seit Jhering geltende Prinzip[52] abgeschafft worden, wonach nicht der Schaden zum Schadensersatz verpflichtet, sondern die Schuld. Das ist – vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsentwicklung – fast revolutionär, und man fragt sich, warum der Gesetzgeber an dieser Stelle haltgemacht und nicht auch ein Angehörigenschmerzensgeld ermöglicht hat. Systematische Gründe dafür gibt es – wie vorstehend ausgeführt – nicht.

Ein weiteres Argument für die Ausweitung des Schmerzengeldanspruchs ergibt sich aus der Umformulierung des neuen § 253 Abs. 2 BGB. Schmerzensgeld nach dem alten § 847 Abs. 2 BGB wegen erschlichenen Beischlafs gab es wegen der verminderten Heiratsaussichten der betroffenen Frau. Daraus ist das Schmerzensgeld wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung geworden, also eines Tatbestandes, der hinsichtlich des Kreises der Geschützten sowie der möglichen Handlungen und Konsequenzen weit über die ursprüngliche Regelung hinausgeht. Das entspricht gewiss dem soziologischen Stand von heute, wo Frauen nicht unbedingt heiraten müssen und Männer Männer heiraten können, und ist daher gewiss richtig. Mit einem Ausgleich für eine verminderte Lebensabsicherung durch Heirat, was heute mehr als fraglich ist, also mit einer "Kommerzialisierung", hat die neue Rechtslage nichts zu tun. Und wenn man auch insoweit mit Traditionen bricht, fragt es sich einmal mehr, warum das nicht auch hinsichtlich des Angehörigenschmerzensgeldes geschieht.

[50] Staudinger-Schiemann, BGB, § 253 Rn 3.
[51] Regierungsbegründung Bl. 32.
[52] Diederichsen, in: Okko Behrens, Ihering’sches Rechtsdenken, 1996, S. 190 ff.

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