"… Die Kl. ist prozessführungsbefugt. Sie nimmt den Bekl. im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft anstelle des VR in Anspruch. Sie wurde durch die Vollmacht des VR ermächtigt, im eigenen Namen dessen Ansprüche geltend zu machen. Die Kl. hat ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozessstandschaft dargelegt, denn nach ihrem unbestritten gebliebenem Vortrag ist sie gegen Provision bevollmächtigt, offene Forderungen des VR einzuziehen."

Der Kl. steht jedoch kein Anspruch gegen den Bekl. auf Zahlung von 24.188,04 EUR zu. Der Bekl. hat zwar am 17.1.2017 den Lkw des VN beschädigt, indem er von der Fahrbahn abkam und mit zwei Bäumen kollidierte. Dabei handelt es sich um einen Unfall im Rahmen der Kasko-Versicherung. Der Kl. stehen aber weder Ansprüche des VR noch übergegangene Ansprüche des VN gemäß § 86 Abs. 1 VVG zu. Der Bekl. hat keine Pflichten gegenüber dem VR verletzt und Ansprüche aus übergegangenem Recht des VN sind nicht ersichtlich.

1. Ohne Erfolg beruft sich die Kl. auf Obliegenheitsverletzungen des Bekl. aus dem zwischen dem VR und der VN bestehenden Kfz-Kaskoversicherungsvertrag. Der Bekl. war gegenüber dem VR zu keinen Angaben verpflichtet, denn er ist weder VN noch versicherte Person.

Die Kl. hat die Versicherungsbedingungen nicht vollständig vorgelegt. Sie beziehen sich im Übrigen auch nicht auf den hier vorliegenden Kaskoschadensfall, sondern auf die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung.

Unabhängig davon bestehen die Obliegenheiten aber lediglich für den VN und gegebenenfalls auch für Mitversicherte. In der Kasko-Versicherung ist der Fahrer eines Fahrzeuges – anders als in der Kfz-Haftpflichtversicherung – mangels eines versicherten eigenen Sachinteresses aber nicht mitversicherte Person, so dass er grundsätzlich wie ein beliebiger Dritter zu behandeln ist (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 19.9.2017 – 11 U 10/17, juris: vgl. BGH, Urt. v. 30.3.1965 – VI ZR 248/63 juris). Der Bekl. hat das kaskoversicherte Fahrzeug auf Weisung des VN – seines Arbeitgebers – genutzt. Eigene Interessen an dem Fahrzeug sind nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass er weder am Abschluss des Versicherungsvertrages mitgewirkt hat noch sonstige Kenntnis von dessen Inhalt hatte. Ihm unter diesen Umständen vertragliche Obliegenheiten aufzuerlegen, würde dem Grundsatz der Privatautonomie widersprechen (…).

2. Der Kl. stehen auch keine Ansprüche aus übergegangenem Recht gemäß § 86 Abs. 1 VVG zu, denn sie hat nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass der VN als Arbeitgeberin gegen den Bekl. Ansprüche aus §§ 611 ff., 280, 823 BGB zustehen, die durch Zahlung des Schadens auf den VR gemäß § 86 Abs. 1 VVG übergegangen sind. Der Bekl. hat insoweit nicht in Abrede gestellt, dass der VR die Reparaturkosten für den Lkw an den VN in Höhe der eingeklagten Forderung bezahlt hat. Ansprüche stehen dem VR jedoch nach den Haftungsbeschränkungen im Arbeitsverhältnis nicht zu. Grundlage für die Haftungsbeschränkung ist das vom Arbeitgeber – VN – zu tragende Betriebsrisiko.

Denn nach den von dem Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen haftet der Arbeitnehmer bei leichtester Fahrlässigkeit nicht, bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen und bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen (vgl. BAG, Urt. v. 15.11.2012 – VIII AZR 705/11, juris). Der Umfang der Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen. Eine möglicherweise vorliegende Gefahrgeneigtheit der Arbeit ist ebenso zu berücksichtigen wie die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, die Risikodeckung durch eine Versicherung, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe der Vergütung, die möglicherweise eine Risikoprämie enthalten kann (…). Auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und die Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten können zu berücksichtigen sein.

Anhaltspunkte dafür, dass dem Bekl. mehr als nur leichteste Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, sind von der Kl. weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt worden.

Der Bekl. hat am 18.1.2017 vor der Polizei zum Unfallhergang Folgendes angegeben:

"Als ich dann mit dem Lkw die … -Allee/B stadtauswärts befuhr, war sehr starker Verkehr. In Höhe des … -Marktes überholte mich dann ein Pkw und scherte sehr kurz vor mir ein. Das war so gegen 18.10 Uhr. Aufgrund dessen musste ich bremsen und hab den Lkw nach rechts gelenkt, um so zu verhindern, dass ich auf den Pkw auffahren oder der Pkw-Fahrer mir in den Lkw fährt. Als ich nach rechts ausscherte fuhr ich auf den dortigen Grünstreifen und hab dann mit dem Lkw zwei Bäume im Durchmesser von ca. zehn bis 15 cm umgefahren. Ich bin ...

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