[1] I. Die nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat zutreffend den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gemäß § 47 Abs. 1 RVG beantragten Kostenvorschuss für die Einholung eines Privatgutachtens zur Widerlegung bzw. Erschütterung des gerichtlichen Gutachtens zurückgewiesen.

[2] Die Aufwendungen für die Beauftragung eines Privatgutachters sind hier zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich.

[3] Nach der Rechtsprechung des BGH kommt eine Erstattung von Kosten für einen privat beauftragten Sachverständigen in Betracht, wenn diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung notwendig waren (BGH, Beschl. v. 17.12.2002 – VI ZB 56/02, Rn 13, AGS 2003, 178 m. Anm. Leupertz = BRAGOreport 2003, 96 [Hansens]; BGH, Beschl. v. 23.5.2006 – VI ZB 7/05, Rn 10, AGS 2006, 461 m. Anm. Onderka = RVGreport 2006, 315 [ders.]). Die Beurteilung dieser Frage hat sich dabei daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich hätte ansehen dürfen (BGH, Beschl. v. 17.12.2002 – VI ZB 56/02, Rn 13, AGS 2003, 178 m. Anm. Leupertz = BRAGOreport 2003, 96 [Hansens]; Beschl. v. 26.2.2013 – VI ZB 59/12, Rn 5, zfs 2013, 346 m. Anm. Hansens = RVGreport 2013, 236 [Hansens]). Danach kommt eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens ausnahmsweise in Betracht, wenn ein Beteiligter infolge fehlender Sachkenntnisse nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage ist (vgl. BGH a.a.O.; OLG Köln, Beschl. v. 16.2.2012 – II-4 WF 11/12, BeckRS 2012, 12070). Diese Ausnahme ist insbesondere auf Zivilverfahren zugeschnitten, in denen es den Parteien nach dem sogenannten Beibringungsgrundsatz obliegt, substantiiert die gebotenen Tatsachen und Informationen vorzutragen, die als Grundlage für die Entscheidung des Gerichts erforderlich sind (vgl. hierzu Herget in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 91 ZPO, Rn 13.73).

[4] In Bezug auf prozessbegleitend eingeholte Privatgutachten ist die Erstattungsfähigkeit entsprechender Aufwendungen allerdings insoweit eingeschränkt, dass es Sache des Gerichts ist, Beweiserhebungen durch Einholung von Sachverständigengutachten durchzuführen. Die Rechtsprechung hat die Erstattungsfähigkeit prozessbegleitender Privatgutachten aber dann bejaht, wenn es darum geht, ein gerichtliches Gutachten zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.11.2001 – 8 W 481/01, Tn 6, BauR 2002, 665; sowie Beschl. v. 11.7.2007 – 8 W 265/07 Rn 11, ZEV 2007, 536; OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.6.2001 – 4 W 2053/01, Rn 14, MDR 2001, 1439; OLG Koblenz, Beschl. v. 21.8.2007 – 14 W 608/07, Rn 5, JurBüro 2007,652; OLG Celle, Beschl. v. 25.7.2008 – 2 W 148/08, Rn 3, BauR 2009, 285) oder wenn eine Partei auf die Hinzuziehung eines Sachverständigen angewiesen ist, um ihrer Darlegungs- und Beweislast zu genügen, Beweisangriffe abzuwehren oder Beweisen des Gegners entgegentreten zu können (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.2.1997 – 10 W 21/97 Rn 4, AGS 1998, 24; OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.6.2001 – 4 W 2053/01, Rn 14, a.a.O.; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30.8.2006 – 10 W 52/06, Rn 11; OLG Koblenz, Beschl. v. 21.8.2007 – 14 W 608/07, Rn 5, a.a.O.; OLG Celle, Beschl. v. 25.7.2008 – 2 W 148/08, Rn 3, a.a.O.) oder wenn die Einholung des Gutachtens der Wiederherstellung der Waffengleichheit dient (OLG Hamm, Beschl. v. 14.5.2013 – I-25 W 94/13 –, Rn 12 m.w.N., AGS 2013, 348 = RVGreport 2013, 307 [Hansens]).

[5] Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Einholung eines prozessbegleitenden Privatgutachtens vorliegend auch nicht deshalb erforderlich, um das gerichtlich eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. T. vom 10.7.2022 zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern. Gründe für eine Ausnahme zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf. Es wird lediglich pauschal behauptet, der Kläger sei aufgrund seiner beruflichen Ausbildung nicht in der Lage, die medizinischen Ausführungen ausreichend zu hinterfragen und etwaige Widersprüche aufzudecken. Der konkrete Fall und der Umstand, dass der Kläger einen Rechtsanwalt zur Unterstützung hat, wird nicht gewürdigt.

[6] Dabei geht es vorliegend, anders als im Fall des OLG Hamm (a.a.O.), nicht um einen komplexen Sachverhalt mit umfassenden betriebswirtschaftlichen Auswertungen und Fragen, die durch den Gerichtssachverständigen nicht zweifelsfrei beantwortet werden konnten. Hier geht es vielmehr um einen überschaubaren Sachverhalt und den Nachweis unfallbedingter Verletzungen und Beeinträchtigungen, wie es im Bereich des Verkehrsunfallrechts regelmäßig vorkommt. Dabei ist es in der Praxis bei diesen Fällen regelmäßig erforderlich, dass sich der Prozessbevollmächtigte mit der von ihm vertretenen Partei mit entsprechenden medizinischen oder unfallanalytischen Gutachten hinsichtlich der Beweisfragen auseinandersetzt und ggf. geeignete Nachfr...

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