ZPO § 91 ff. § 148 § 574

Leitsatz

1. Die Ausgangsentscheidung des Erstgerichts über die Aussetzung des Verfahrens ist Teil der Hauptsache und darf daher keine Kostenentscheidung enthalten.

2. Das durch diese Aussetzungsentscheidung ausgelöste Beschwerdeverfahren und das anschließende Rechtsbeschwerdeverfahren stellen deshalb ebenfalls nur einen Bestandteil des Hauptsacheverfahrens dar.

3. Folglich bilden die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens, die durch eine Aussetzungsentscheidung ausgelöst worden sind, einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache unterliegende Partei unabhängig vom Ausgang des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen hat.

4. Dies hat zur Folge, dass in einem solchen Rechtsbeschwerdeverfahren keine Kostenentscheidung ergehen darf (Leitsatz der Schriftleitung).

BGH, Beschl. v. 12.10.2021 – VIII ZB 63/20

Sachverhalt

Das AG Berlin-Schöneberg hatte den dort anhängigen Zivilprozess gem. § 148 Abs. 1 ZPO ausgesetzt. Hiergegen haben die Beklagten sofortige Beschwerde beim LG Berlin erhoben, die keinen Erfolg hatte. Mit ihrer beim BGH eingelegten Rechtsbeschwerde haben sich die Beklagten gegen die Zurückweisung ihrer sofortigen Beschwerde gegen das Beschwerdegericht gewandt. Diese Rechtsbeschwerde haben die Beklagten wieder zurückgenommen. Der BGH hat durch Beschl. v. 8.9.2021 entsprechend § 516 Abs. 3 ZPO den Verlust des eingelegten Rechtsmittels ausgesprochen und den Beklagten (wohl) gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens auferlegt.

Die von den Beklagten hiergegen erhobene Gegenvorstellung hatte in der Sache Erfolg.

2 Aus den Gründen:

[1] "Die mit Schriftsatz vom 15.9.2021 gegen die Kostenentscheidung in dem Senatsbeschluss vom 8.9.2021 erhobene Gegenvorstellung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg."

[2] Die Beklagten haben ihre Rechtsbeschwerde gegen den angefochtenen Beschluss des LG Berlin vom 10.8.2020 zwar zurückgenommen, weshalb der Verlust des eingelegten Rechtsmittels durch Senatsbeschluss auszusprechen war (§ 516 Abs. 3 ZPO entsprechend). Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens (zulasten der Beklagten) war vorliegend aber – wie in einem früheren Hinweis des Senats auch ausgeführt – nicht veranlasst.

[3] Die Rechtsbeschwerde der Beklagten hat sich gegen die Zurückweisung ihrer (sofortigen) Beschwerde durch das Beschwerdegericht gerichtet, mit der sie die Aussetzung des Verfahrens nach § 148 Abs. 1 ZPO durch das Ausgangsgericht angegriffen haben. Die im Beschwerderechtszug gegen eine solche Aussetzungsentscheidung anfallenden Kosten sind Teil der Kosten des Rechtsstreits, über die im Rahmen der Entscheidung in der Hauptsache zu befinden ist, die demnach – unabhängig vom Ausgang des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens – nach Maßgabe der §§ 91 ff. ZPO die in der Hauptsache unterliegende Partei zu tragen hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 12.12.2005 – II ZB 30/04, NJW-RR 2006, 1289 Rn 12; vom 16.6.2009 – XI ZB 33/08, WM 2009, 1359 R. 19; vom 11.6.2013 – VI ZB 31/12, VersR 2013, 1198 R. 12; vom 9.3.2021 – II ZB 16/20,NJW 2021. 308 m. Anm. Klose = NJW-RR 2021, 638 Rn 23).“

3 Anmerkung:

Diese nur wenige Zeilen umfassende Entscheidung des BGH macht auf ein Problem aufmerksam, das in der Praxis kaum beachtet wird, dessen Auswirkungen für die in der Hauptsache unterlegene Partei jedoch erheblich sein können. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des VIII. ZS des BGH der ständigen Rechtsprechung auch der übrigen Zivilsenate des BGH entspricht. Diese Rechtsprechung begegnet Bedenken, die verdeutlicht werden, wenn man einen Blick auf die entsprechenden Kosten richtet.

Kosten erster Instanz

Das Verfahren über die Aussetzung des Rechtsstreits gehört gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG als Zwischenstreit zum Rechtszug und löst bei den Prozessbevollmächtigten der Parteien keine weitergehenden Vergütungsansprüche aus. Im Aussetzungsverfahren sind auch keine Gerichtsgebühren vorgesehen.

Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren

Sowohl das Beschwerde- als auch das Rechtsbeschwerdeverfahren stellen gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG eine gesonderte gebührenrechtliche Angelegenheit dar, in der den Prozessbevollmächtigten zusätzliche Gebühren anfallen. Im Regelfall entstehen Gebühren nach Teil 3 Abschn. 5 VV RVG. Bleibt die Beschwerde erfolglos, fallen im Regelfall auch Gerichtsgebühren an.

Die somit gesondert anfallenden Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind grundsätzlich erstattungsfähig (siehe BGH AGS 2005, 413 = RVGreport 2005, 275 [Hansens]). Dies setzt allerdings voraus, dass in dem jeweiligen Beschwerdeverfahren auch eine Kostenentscheidung ergangen ist, die gem. § 103 Abs. 1 ZPO Grundlage der Kostenfestsetzung ist.

Praktische Auswirkungen der Rechtsprechung des BGH

Die ständige Rechtsprechung des BGH, auf die sich hier auch der VIII. ZS des BGH bezogen hat, führt dazu, dass sowohl im Beschwerdeverfahren als auch im Rechtsbeschwerdeverfahren betreffend die Verfahr...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge