"… Die Berufung hat zu einem Teil Erfolg, die Anschlussberufung nicht."

Dem Senat erscheint ein Schmerzensgeld von 20.000 EUR erforderlich, um den Kl. in den Genuss eines angemessenen Ausgleichs und einer entsprechenden Genugtuung kommen zu lassen

Dabei hat der Senat die nachfolgenden Beschwerden in die Abwägung eingestellt:

Notwendigkeit einer Revisionsoperation,
erhebliche Schmerzen bis zur Revisionsoperation,
dauerhafter Knorpelschaden verbunden mit erheblichen Schmerzen bei längerem Stehen und dem Gehen mittlerer Strecken,
dauerhafter Verzicht auf das Hobby Volleyball,
Einschränkungen beim Hobby Bergwandern.

Schmerzensgelderhöhend hatte der Senat weiterhin zu berücksichtigen:

die erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der Kl. auf ein künstliches Kniegelenk angewiesen sein wird,
das erhebliche Verschulden des Bekl. zu 1).

Schmerzensgeldmindernd ist in Rechnung zu stellen, dass das Knie des Kl. vorgeschädigt war.

Im Einzelnen: Bei der danach vorzunehmenden Abwägung erscheint dem Senat eine Anhebung des vom LG zuerkannten Betrages geboten. Bei der Einordnung stehen für den Senat zwei Gesichtspunkte im Vordergrund: Zum einen der Dauerschaden im Knie, der den vormals sportlich aktiven Kl. in seiner Lebensführung erheblich einschränkt. Angesichts eines Lebensalters von 46 Jahren kommt diesem Gesichtspunkt noch erhebliche Bedeutung bei. Zum anderen ist das erhebliche Verschulden des Bekl. unter dem Gesichtspunkt der Genugtuung schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen. Soweit teilweise die Ansicht vertreten wird, dass im Arzthaftungsprozess der Verschuldensgrad bei der Schmerzensgeldbemessung generell außer Betracht zu bleiben habe (OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.8.2003 – 8 U 190/01, juris Rn.40; für [grob] fahrlässige Pflichtverletzungen: Hanseatisches OLG in Bremen, Urt. v. 26.3.2002 – 3 U 84/01, juris Rn.7; OLG Köln, Teilurt. v. 9.1.2002 – 5 U 91/01, juris Rn.32; a.A. Soergel-Ekkenga/Kuntz, 13. Aufl., § 253 Rn.20; diff. MünchKomm-Oetker, 7. Aufl. § 253 Rn.48), tritt dem der Senat jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art, in denen die Grenze zum bedingten Vorsatz berührt ist, nicht bei (so ebenfalls für “leichtfertiges' Verhalten OLG Köln, Teilurt. v. 23.1.2002 – 5 U 85/01, juris Rn 15).

Tatsächlich hat der Bekl. es am Abend des 29.1. für möglich gehalten, dass die Trokarspitze im Knie eines Patienten verbleiben war; aus diesem Grund hat er sich, wie er im Prozess vorgetragen hat, eigens eine Notiz gemacht, nachdem die Spitze in der Praxis nicht aufzufinden war. Der Senat ist davon überzeugt, dass dem Bekl. bewusst gewesen sein muss, dass die verbliebene Spitze geeignet ist, Schäden am Knie zu verursachen. Indem er gleichwohl nichts veranlasst hat, hat er deutlich gemacht, dass er sich mit der etwaigen Verwirklichung dieses Risikos abgefunden hatte. Dahin deutet zudem der Umstand, dass sich der Bekl. zu 1) die Notiz offensichtlich nur für den Fall gemacht hatte, dass ein Patient, der an diesem Tage operiert worden war, mit Beschwerden im Knie vorstellig werden würde, was wiederum nur der Fall sein würde, wenn die Trokarspitze bereits zu Verletzungen geführt hatte. Dass der Bekl. zu 1) die Notiz nicht zur Kontrolle der Operierten unabhängig von konkreten Beschwerden verwenden wollte, zeigt sich schon daran, dass er den Kl. weder beim Verbandswechsel noch beim Fädenziehen auf das entsprechende Risiko angesprochen hatte, sondern erst als er mit erheblichen Beschwerden im Knie vorstellig wurde. Dies begründet den Vorwurf einer Verletzung des Kl. mit Eventualvorsatz.

Selbst, wenn man zugunsten des Bekl. zu 1) unterstellen wollte, er habe die Möglichkeit gesehen, aber im Sinne bewusster Fahrlässigkeit auf das Ausbleiben einer Schädigung gehofft und vertraut (dann ergäbe die Notiz indessen wenig Sinn), begründete dies einen so erheblichen Vorwurf gröbster Fahrlässigkeit, dass zur Genugtuung des Kl. gleichwohl eine deutliche Erhöhung des Schmerzensgeldes erforderlich ist.

Den Umstand, dass das Knie des Kl. vorgeschädigt gewesen ist, hat der Senat berücksichtigt. Er misst diesem Faktor indessen kein großes Gewicht bei. Vor der Operation haben sich die Beschwerden des Kl. auf gelegentliche Schmerzen beim Volleyballspielen und beim Treppensteigen beschränkt; Sinn der Operation war es, ihn insoweit beschwerdefrei zu stellen Hätte der Bekl. zu 1) mithin den Fehler nicht begangen, hätte der Kl. begründeten Anlass gehabt, auf Beschwerdefreiheit zu hoffen.

Ein noch höherer Betrag, wie vom Kl. begehrt, scheint dem Senat indessen mit Blick auf Summen, die für vergleichbare Schadensbilder eines dauerhaften Knieschadens zugesprochen worden sind, nicht vertretbar (OLG Frankfurt, Urt. v. 23.5.2006 – 8 U 29/05, indexiert 11.620 EUR für 39-jährige Frau bei Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge. 36. Aufl., Nr. 34.269; OLG Celle, Urt. v. 29.9.2010 – 14 U 9/10, indexiert 9.800 EUR, bei Hacks/Wellner/Häcker, a.a.O., Nr. 36.245; OLG Köln, Urt. v. 18.9.2014 – 15 U 138/14, indexiert 7.131 EUR für 50-jährige Frau bei Hacks/Wellner/Häcker,...

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