“Die Kl. hat gegen die Bekl. nach § 426 Abs. 2 S. 1 BGB keinen Anspruch auf Zahlung des zuerkannten Betrags. Zwar hat sie im Gesamtschuldverhältnis der Parteien den Haftpflichtschaden des Geschädigten vollständig reguliert und die Bekl. hat auch vorsätzlich eine Obliegenheit im Schadensfall verletzt (unten 1. und 2.). Allerdings ist die Kl. gleichwohl nicht nach § 7a Ziff. i) a), 7 Ziff. 1.4), § 3 Ziff. 1 der in den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag einbezogenen AKB 2008 der Kl. (im Folgenden: AKB 2008) i.V.m. § 28 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 VVG von ihrer Leistungsverpflichtung frei geworden, da der Bekl. der Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 S. 1 VVG mangels Arglist i.S.v. § 28 Abs. 3 S. 2 VVG offen stand und ihr dieser Beweis mangels ausreichender Darlegung von Tatsachen der Kl. im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast gelungen ist.

1. Die Bekl. hat zwar unstreitig die bei Eintritt des Versicherungsfalls bestehende vertragliche Obliegenheit objektiv verletzt, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes sowie zur Minderung des Schadens dienlich sein kann (§ 7 Ziff. 1.4) AKB 2008), indem sie das Tankstellengelände verlassen hat, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ihrer Person, des von ihr geführten Fahrzeugs und der Art ihrer Beteiligung durch ihre Anwesenheit und durch die Angabe, dass sie an dem Unfall beteiligt war, zu ermöglichen.

Das – wie hier – erfolgte Verlassen der Unfallstelle stellt stets eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung und in der Kfz-Haftpflichtversicherung dar, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt wird. … Auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung ist davon auszugehen, dass die vertragliche Aufklärungsobliegenheit die strafrechtlich sanktionierte Rechtspflicht mit umfasst, denn hierbei handelt es sich um eine elementare, allgemeine und jedem VN und Kraftfahrer bekannte Pflicht.

2. Die Bekl. hat zur Überzeugung der Kammer insoweit auch vorsätzlich gehandelt.

Vorsatz erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm (BGH NJW 1958, 993; Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 28 Rn 113 m.w.N.) und umfasst bedingten Vorsatz, der gegeben ist, wenn der VN bzw. der Versicherte die Obliegenheitsverletzung für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, also nicht ernsthaft darauf vertraute, dass der Erfolg ausbleiben werde, wobei für das Bewusstsein der Obliegenheitswidrigkeit genügt, dass der VN bzw. der Versicherte kraft “Parallelwertung in der Laiensphäre’ die Merkmale der Obliegenheit im Kern kennt.

Die Bekl. wusste, dass bei dem Tankvorgang ein Schaden entstanden ist, da sie den Schaden bemerkt hatte. Dies steht anhand einer Reihe von Indizien zur Überzeugung der Kammer nach Inaugenscheinnahme der in der Akte der StA F enthaltenen Lichtbilder, und unter Würdigung der Aussage der Bekl. in der mündlichen Verhandlung fest. Die Bekl. hat selbst eingeräumt beim Wegfahren einen Ruck wahrgenommen zu haben. Sie ist dann ausgestiegen und hat die Zapfpistole wieder in die entsprechende Halterung der Tanksäule gesteckt. Um die Pistole in die Halterung zu stecken, musste sie direkt auf die Halterung blicken und konnte hierbei den ganz offensichtlichen Schaden an dem Gehäuse auch ohne besondere Konzentration oder nähere Untersuchung der Säule nicht übersehen. Sie konnte auch nicht übersehen, dass sich der Schlauch, der vor dem Tankvorgang in der Säule eingerollt war, nach dem Vorfall nach Zurückstecken der Pistole nicht mehr wieder eingerollt hatte.

3. Die Kammer vermochte jedoch nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Bekl. die Obliegenheitsverletzung arglistig i.S.v. § 28 Abs. 3 S. 2 VVG begangen hat.

Arglist verlangt neben der vorsätzlichen Obliegenheitsverfetzung zwar keine Bereicherungsabsicht; erforderlich ist aber – über den bloßen Vorsatz hinausgehend –, dass der VN bzw. Versicherte einen gegen die Interessen des VR gerichteten Zweck verfolgt und weiß, dass sein Verhalten den VR bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH zfs 2009, 465 … ). Auf Arglist als innere Tatsache kann regelmäßig nur auf der Grundlage von Indizien geschlossen werden. Solche – unstreitigen – Indizien liegen hier aber nicht in einem ausreichenden Maß vor.

Die Bekl. wusste zwar, dass es zu einem Schadensereignis gekommen war. Die Kammer geht auch davon aus, dass sie wusste, dass durch das Verlassen der Tankstelle eine Fahrerfeststellung wie auch Feststellungen zum Schadenshergang und die Art ihrer Beteiligung an der Schadensverursachung erschwert werden konnten. Allerdings kann allein hieraus nicht zweifelsfrei geschlossen werden, dass sie mit dem Verlassen der Tankstelle, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, auch einen gegen die Kl. gerichteten Zweck verfolgte sowie gewusst und gewollt hat oder jedenfalls billigend in Kauf genommen hat, damit auf die Regulierungsentscheidung der Kl. Einfluss zu nehmen. Ebenso wie es keinen allgemeinen Erfahrungssatz d...

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