ARB 98 § 3 Abs. 5

Leitsatz

1. Der Rechtsschutzversicherer ist bei einer Klage des Versicherungsnehmers auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung nicht leistungsfrei, auch wenn sich herausstellt, dass der Versicherungsnehmer bei Beantragung der BU-Versicherung arglistig über seinen Gesundheitszustand getäuscht hat.

2. Es liegt keine Straftat (Betrug) i.S.d. § 3 Abs. 5 ARB 98 vor, wenn bei Abschluss der Versicherung eine Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers überhaupt noch nicht absehbar war. Weder liegt zu diesem Zeitpunkt ein Vermögensschaden noch eine schadensgleiche Vermögensgefährdung vor.

OLG Hamm, Urt. v. 21.7.2010 – 20 U 203/09

Sachverhalt

Die Klägerin fordert Leistungen zurück, die sie an den Beklagten auf Grund eines Rechtsschutzversicherungsvertrages zur Durchführung eines Rechtsstreits erbracht hatte, in dem der Kläger die Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit begehrt hatte. In diesem Rechtsstreit war der Beklagte unterlegen, weil der Versicherer beweisen konnte, dass der Kläger ihm bei Abschluss des Vertrages Vorerkrankungen arglistig verschwiegen hatte.

2 Aus den Gründen:

"… I. Im Ergebnis zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass die Klägerin keinen Rückforderungsanspruch gegen den Beklagten aus § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB hat. Sie hat zwar unstreitig 18.552,51 EUR geleistet, aber dies geschah auf Grund des wirksam geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages mit dem Beklagten und nicht etwa ohne Rechtsgrund. Maßgeblich dafür ist im Einzelnen Folgendes:"

1. Die Klägerin kann den fehlenden Rechtsgrund der Leistung nicht aus § 61 VVG a.F. herleiten, denn diese Vorschrift ist hier durch § 3 (5) ARB 98 abbedungen. Darin haben die Parteien nämlich vereinbart, dass der Versicherungsschutz (nur) dann ausgeschlossen ist, wenn die rechtliche Auseinandersetzung in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer vorsätzlichen Straftat des Versicherungsnehmers steht. Dadurch ist § 61 VVG a.F., der ausdrücklich auch grob fahrlässig herbeigeführte Versicherungsfälle aus dem Versicherungsschutz ausschließt, zugunsten des Versicherungsnehmers abbedungen (vgl. dazu Harbauer-Maier, ARB, 8. Aufl. 2010, § 3 ARB 2000 Rn 211, 212).

2. Die Voraussetzungen einer Leistungsfreiheit nach § 3 (5) ARB 98 sind indes im vorliegenden Fall nicht erfüllt. In Betracht käme hier zwar ein Betrug des Beklagten i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB zum Nachteil des BU-Versicherers, aber dessen Voraussetzungen liegen im Ergebnis nicht vor.

a) Der Beklagte hat den Versicherer zwar durch seine unrichtige Antwort auf die Gesundheitsfrage Nr. 14 objektiv getäuscht, dadurch einen Irrtum über seinen Gesundheitszustand erregt und erreicht, dass die Klägerin den Vertrag in seiner konkreten Form (also zu der vereinbarten Prämie und ohne einen Risikoausschluss) abgeschlossen hat. Das allein reicht aber für einen Betrug i.S.v. § 263 StGB nicht aus. Es muss vielmehr hinzukommen, dass die irrtumsbedingte Vermögensverfügung bei dem Getäuschten zu einem Vermögensschaden führt bzw. (beim versuchten Betrug) einen solchen Schaden verursachen soll. In diesem Sinne ist ein Schaden gegeben, wenn die Verfügung des Getäuschten zu einer nicht durch einen Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt. … In dem Abschluss eines Austauschvertrages auf Grund eines täuschungsbedingten Irrtums liegt daher nicht schon deshalb ein Schaden, weil der Getäuschte eine Vermögensverfügung trifft, die er ohne die Täuschung nicht getroffen hätte. … Daran gemessen hat die XY-Versicherung AG allein durch den Abschluss der BU-Versicherung mit dem Beklagten noch keinen Vermögensschaden erlitten. Sie gewährte Versicherungsschutz und erhielt dafür von dem Beklagten die vereinbarten Prämien. Leistungsansprüche des Beklagten waren zwar auf Grund der Versicherung möglich, aber unstreitig noch nicht konkret absehbar, sodass zu diesem Zeitpunkt bei wirtschaftlicher Betrachtung des Vermögens der Versicherung noch kein Schaden eingetreten war.

b) Unter bestimmten Umständen reicht aber im Rahmen des § 263 StGB schon eine konkrete und deshalb schadensgleiche Vermögensgefährdung. Diese liegt dann vor, wenn zwar rechnerisch bei einem Vermögensvergleich vor und nach der Verfügung noch kein negativer Saldo festgestellt werden kann, aber die Gefährdung bereits so konkret ist, dass sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage bedeutet (siehe dazu Schönke/Schröder/Cramer/Perron, § 263 Rn 143 m.w.N.). Keine ausreichende Vermögensgefährdung bedeutet es hingegen, wenn der Getäuschte einen Vertrag abschließt, der nur die Möglichkeit schafft, dass der Getäuschte demnächst in Erfüllung dieses Vertrages eine ihn schädigende Leistung erbringen muss. … Auch nach diesen Grundsätzen liegt hier noch keine schadensgleiche Vermögensgefährdung vor. Anders als in einem Fall, in dem der Täuschende bereits schwer erkrankt ist und deshalb schon der Abschluss der Versicherung eine konkrete Gefährdung des Vermögens des Versicherers bedeutet, war nach Überze...

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