Eine Grundfrage aus der ungarisch-deutschen Perspektive

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Die Schnittmenge von Erb- und Urheberrecht ist spannungsgeladen und stets ein Konfliktfeld zwischen Erblasser, Erben und Testamentsvollstrecker (siehe schon Gergen, ZErb 2/2009). Perpetuieren die Urheber-Erben den Erblasser immer vollumfänglich? Es ist hier klar zwischen Persönlichkeits- und Vermögensrecht zu differenzieren. Der Beitrag wirft aus ungarisch-deutscher Perspektive Licht auf diese Frage.

1. Zwischen Dualismus und Monismus

In der Urheberrechtslehre wird noch immer über dualistische und monistische Verfasstheit des Urheberrechts diskutiert.[3] Die dualistische Theorie vertritt die Trennung von Urheberpersönlichkeit und Vermögensrecht. In der Auffassung der monistischen Theorie wird das Urheberrecht hingegen weder als Persönlichkeits- noch als Vermögensrecht bezeichnet. Aufgrund der von Ulmer[4] begründeten monistischen Theorie entstammen Urheberpersönlichkeitsrechte und Verwertungs- bzw. Vermögensrechte demselben Kern. Die deutsche und ungarische Gesetzgebung haben sich grundsätzlich der monistischen Theorie verschrieben.[5] Ausnahmen existieren indes für Ungarn im Rahmen der Regelungen zum Erbgang und beim Übergang der vermögensrechtlichen Befugnisse des Urhebers auf die Erbengemeinschaft: Die Urheberpersönlichkeitsrechte können nach ungarischem Recht nicht übertragen werden. Sie können auch nicht auf andere Weise auf die Nachfolger übergehen. Ebenso wenig darf der Urheber auf sie verzichten.[6]

Dagegen können die Vermögensrechte übergehen; die Urheberpersönlichkeitsrechte können mithin von den Vermögensrechten getrennt werden. So kann das ungarische Modell als eine Mischung aus monistischer und dualistischer Theorie bezeichnet werden. "Eine mit der technischen Entwicklung Schritt haltende, moderne urheberrechtliche Regelung spielt eine entscheidende Rolle bei der Anregung geistiger Werke, bzw. beim Schutz der Werte der nationalen und weltweiten Kultur …"[7], und dabei gewinnen auch die Regelungen zum Übergang der vermögensrechtlichen Befugnisse große Bedeutung. Ziel dieses gemeinsamen Aufsatzes ist es, die deutschen und ungarischen Bestimmungen nebst Rechtsmeinungen zum Thema Rechtsnachfolge des Urheberrechts kurz zu analysieren.

[3] Ensthaler, Jürgen: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Berlin/Heidelberg, 2003, S. 45.
[4] Ulmer, Eugen: Urheber- und Verlagsrecht (Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft / Abteilung Rechtswissenschaft), 1950, S. 114 ff.
[5] § 11UrhG sowie das Gesetz Nr. LXXVI von 1999 über das Urheberrecht von Ungarn, im Folgenden: ungarisches UrhG § 9 Abs. 1. Im neuen ungarischen BGB (Gesetz Nr. V von 2013 über das Bürgerliche Gesetzbuch) wird das Geistige Eigentumsrecht mit dem Terminus "Urheberrecht und Gewerbliches Recht" bezeichnet, die allgemeinen Regelungen hierzu werden zwischen den Vorschriften von Persönlichkeits- und Sachenrecht abgehandelt.
[6] Ungarisches UrhG § 9 Abs. 2.
[7] Präambel Gesetz Nr. LXXVI von 1999 über das Urheberrecht von Ungarn.

2. Erbfolge bei Urheberrecht und bloßer Nutzungsberechtigung

Die Rechtsnachfolge beschränkt sich nicht auf den unmittelbaren Erwerb der Rechte vom Urheber, sondern findet bei jedem weiteren Erbgang oder jeder weiteren Verfügung von Todes wegen erneut statt. In ungarischem Recht wird die Erbfolge der Urheberpersönlichkeitsrechte und des Vermögensrechts voneinander getrennt geregelt: Während die Urheberpersönlichkeitsrechte nicht vererbt werden können, ist es bei den Vermögensrechten genau umgekehrt. Die Urheberpersönlichkeitsrechte können grundsätzlich nicht übertragen werden bzw. auch nicht auf andere Weise übergehen, und man kann auch nicht auf sie verzichten.[8] Nur im Ausnahmefall können sie vererbt werden, über sie kann dann von Todes wegen verfügt werden.[9]

Wer lediglich einen Nutzungsberechtigten beerbt, wird kein Rechtsnachfolger iSv § 30 UrhG, sondern ist ebenfalls nur Nutzungsberechtigter. Der Rechtsnachfolger rückt also gemäß § 1922 BGB grundsätzlich in dieselbe Rechtsposition ein, die auch sein Vorgänger innehatte.

Der Rechtsnachfolger kann Dritten Nutzungsrechte einräumen und das Werk nach seinen Vorstellungen vermarkten, auch wenn sie mit den Vorstellungen des Urhebers nicht übereinstimmen sollten. Der Rechtsnachfolger kann nach weit verbreiteter Überzeugung das Werk bearbeiten oder sogar entstellen, das Pseudonym lüften oder ein anonymes Werk benennen.[10] Das ungarische Recht gibt den Erben diese Befugnisse allerdings nicht.

Eine Literaturmeinung[11] – die auch im ungarischen Schrifttum geäußert wird – vertritt indessen, dass das postmortale Urheberpersönlichkeitsrecht zwar ein eigenes Recht des Erben sei, das jedoch im fremden Interesse liege und als solches ausgeübt werden müsse. Bei der Ausübung des Urheberpersönlichkeitsrechts sei der Erbe grundsätzlich an die ideellen Interessen des Urhebers gebunden. Aus diesem Grund dürfe ein Pseudonym des Urhebers nach dessen Tod nicht aufgedeckt und dürften nur erforderliche Änderungen an dem Werk vorgenommen werden.[12] Dagegen spricht jedoch, was selbst eingeräumt wird, dass es an einer geeigneten Person...

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