Zum Schutz des Rechtsverkehrs sieht Art. 69 Abs. 3 den Schutz in das Vertrauen auf die Verfügungsberechtigung einer im Zeugnis als berechtigt ausgewiesenen Person vor.

Durch die Regelung in Art. 69 Abs. 3 werden Schuldner des Nachlasses geschützt, die Leistungen an Personen erbringen, die als berechtigte Empfänger im Nachlasszeugnis ausgewiesen werden; das können Erben sein sowie Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter; im Einzelfall kommen auch dingliche Vermächtnisnehmer als berechtigte Empfänger in Betracht. Diese Regelung ist eine Konsequenz und sachgerechte Ergänzung der Vermutungsregelung des vorangehenden Absatzes der Verordnung.

Die konkrete Ausgestaltung der Gutglaubenswirkung erscheint zu eng: Geschützt sind nur "Zahlungen" an laut Zeugnis berechtigte Personen und die Übertragung von Vermögenswerten auf solche Personen. Andere Ansprüche, die gegenüber den Erben oder sonstigen Berechtigen zu erfüllen sind, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Gutglaubensregelung. Ein sachlicher Grund für diese Einschränkung des Gutglaubensschutzes und die damit einhergehende Privilegierung einer bestimmten Klasse von Schuldnern ist nicht zu erkennen.[30]

Neben Schuldnern des Nachlasses werden aber auch Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter geschützt, die dem im Europäischen Nachlasszeugnis bezeichneten Erben oder Vermächtnisnehmer Vermögenswerte aus dem Nachlass übertragen. Entsprechendes gilt für Erben, die dem im Zeugnis bezeichneten Vermächtnisnehmern Vermögenswerte aus dem Nachlass übertragen.

Die Gutglaubenswirkung des Zeugnisses entfällt, wenn der Leistende wusste, dass das Zeugnis inhaltlich unrichtig ist, oder (anders als in §§ 2366, 2367 BGB geregelt) ihm dies infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war. Der Entwurf der Kommission sah einen noch weitergehenden Gutglaubensschutz vor. Vom Gutglaubensschutz ausgenommen waren nur Personen, die wussten, dass das Zeugnis inhaltlich nicht den Tatsachen entspricht.[31]

Damit treten die Gutglaubenswirkungen nur ein, wenn der Leistungsempfänger (Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter) dem anwendbaren Recht zufolge befugt war, die Leistung oder Verfügung entgegenzunehmen.[32] Dies träfe auf einen Vermächtnisnehmer nach deutschem Recht nicht zu; ebenso wenig beispielsweise auf einen Erben nach englischem Recht, wenn der personal representative der alleinige Träger und Verwalter des Nachlasses ist.[33]

Die Erfüllungswirkung, die eine Leistung an eine in Art. 69 Abs. 3 genannte Person mit sich bringt, ergibt sich unmittelbar aus dieser europäischen Norm, nicht erst aus dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Sachrecht. Die weiteren Folgen der Erfüllungswirkung ergeben sich aber nicht mehr aus Art. 63 Abs. 3, sondern aus dem anwendbaren nationalen Sachrecht.[34]

Wenn beispielsweise ein Nachlassschuldner an den im Zeugnis ausgewiesenen Testamentsvollstrecker zahlt, erfüllt er damit seine Nachlassverbindlichkeit. Hat er verschiedene Verbindlichkeiten gegenüber dem Nachlass, stellt sich die Frage, welche dieser Verbindlichkeiten er durch Zahlung erfüllt hat. Diese Frage richtet sich nach dem auf das zugrundeliegende Schuldverhältnis anzuwendende Recht, nicht nach dem anwendbaren Erbrecht.

Während Art. 69 Abs. 3 den Schutz des Leistenden im Blick hat, bezweckt Art. 69 Abs. 4 den Schutz des Empfängers einer Leistung. Der Empfänger von Nachlassvermögen wird im Vertrauen auf die Richtigkeit geschützt, wenn hierüber eine Person verfügt, die in dem Zeugnis als zur Verfügung über Nachlassvermögen berechtigt bezeichnet wird. Der gutgläubige Empfänger wird behandelt wie jemand, der von einem zur Verfügung über das betreffende Vermögen Berechtigten erworben hat. Diesen Schutz genießt der Empfänger von Nachlassvermögen allerdings nicht, wenn er wusste, dass das Zeugnis inhaltlich unrichtig ist. Der Schutz des Empfängers entfällt auch, wenn ihm die inhaltliche Unrichtigkeit infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.

Die Wirkungen einer Verfügung einer in Art. 69 Abs. 4 genannten Person ergeben sich unmittelbar aus dieser europäischen Norm, nicht erst aus dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Sachrecht. Daneben bleiben aber nationale Normen, die die Wirksamkeit von Verfügungen im Einzelnen regeln, anwendbar. Insbesondere wird durch die Verordnung nicht geregelt, ob der Erwerb von Vermögen durch eine dritte Person wirksam ist oder nicht.[35]

[30] Lübcke, S. 538.
[31] S. Art. 42 Abs. 3 E-ErbVO.
[32] Dutta, FamRZ 2013, 4, 15.
[33] So Dutta, FamRZ 2013, 4, 15.
[34] So auch Stellungnahme der Generaldirektion Interne Politikbereiche des Europäischen Parlaments zum Vorschlag für eine Europäische Erbrechtsverordnung, Version 2009/157 (COD) vom 16.1.2012, S. 52.
[35] So Erwägungsgrund 71 aE

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