Ein weiterer Anhaltspunkt kann die vom Notar festgestellte Testierfähigkeit sein, wobei eine schlichte Bejahung das Vorliegen einer Testierunfähigkeit nicht endgültig ausschließt. Wird die letztwillige Verfügung von Todes wegen vor einem Notar errichtet, so hat sich dieser zwar von Amts wegen von der Testierfähigkeit zu überzeugen[36] und diesbezüglich Ausführungen zu machen.[37] Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine Bejahung der Testierfähigkeit durch den Notar lediglich Indizwirkung hat und der Führung des Gegenbeweises nicht entgegensteht.[38] Die Wahrnehmungen des Notars nehmen gem. § 418 ZPO an der Beweiskraft teil, nicht jedoch seine rechtlichen Schlussfolgerungen.[39] Denn ein amtierender Notar ist letztendlich Jurist und in der Regel keine Person mit einer medizinischen Ausbildung. So wie von einem Psychiater keine Gestaltung eines Erbvertrags erwartet werden kann, so wenig ist ein Notar letztendlich befähigt zur Durchführung einer psychiatrischen Diagnostik.

In der Realität muss sich der Notar auf seine bisherige Erfahrung verlassen, ohne dabei auf das erforderliche medizinische Wissen zurückgreifen zu können, das erforderlich wäre, Anzeichen einer Testierunfähigkeit zu erkennen. Bei älteren oder schwerkranken Testatoren ist es selbstverständlich, dass der Notar zwar Zeuge des ihm sich bietenden Geschehens ist, jedoch die Gesamtlage nicht ohne die Mithilfe eines psychiatrischen Sachverständigen bzw. von sachverständigen Dritten beurteilen kann. Ein oberflächliches Gespräch, das keine detaillierten Fragen oder Nachfragen enthält, ist als nicht ausreichend anzusehen. Der Erkrankte kann trotz Demenz eine Fassade aufrechterhalten, die aber nur noch scheinbar vorlie- gende Fähigkeiten demonstriert. Zur Feststellung der Schwere der Krankheit und der Testierfähigkeit soll der Notar möglichst Erkundigungen einholen, etwa beim Hausarzt, beim Stationsarzt bzw. beim kompetenten Pflegepersonal im Krankenhaus[40] bzw. Alters- oder Pflegeheim. Das dies in der Realität schwer durchzusetzen ist, ist nachvollziehbar, aber unumgänglich.

[36] Weber in Damrau Praxiskommentar Erbrecht, 3. Aufl., § 2229 BGB Rn 6.
[37] Hagena in MüKo BGB, 7. Aufl., § 28 BeurkG, Rn 8.
[38] Weber in Damrau Praxiskommentar Erbrecht, 3. Aufl., § 2229 BGB Rn 6.
[39] Lerch, Beurkundungsgesetz, 3. Aufl., § 28 BeurkG Rn 3; Hagena in MüKo BGB, 7. Aufl., § 28 BeurkG Rn 8.
[40] Winkler, Beurkundungsgesetz, 16. Aufl., § 28 BeurkG, Rn 10 f; Näheres hierzu Hagena in MüKo BGB, 7. Aufl., § 28 BeurkG Rn 17.

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