Selbst wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen jeweils für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermögen, kann ein Ehevertrag im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig einzustufen sein, wenn das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt.[31] Das Gesetz kennt zwar keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten, sodass auch aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspostionen basierende, einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt.

Darüber hinaus lässt sich nach dem BGH bei familienrechtlichen Verträgen nicht allein aus einer feststellbaren Einseitigkeit der Lastenverteilung eine tatsächliche Vermutung für das Gegebensein des subjektiven Tatbestands der Sittenwidrigkeit aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt soll zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten darstellen. Gleichwohl werde ein solcher Vertrag regelmäßig nicht sittenwidrig eingestuft werden können. Dies soll zumindest dann gelten, wenn außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität hindeuten.[32] Umgekehrt ist allein das Gegebensein einer solchen subjektiven Imparität kein ausschlaggebender Grund für die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung, kann aber ein gewichtiges Indiz dafür sein.[33] Sie kann vorliegen wenn

die belastete Partei keine ausreichende Gelegenheit hatte ,den Vertrag zu prüfen und sich darüber beraten zu lassen;
die belastete Partei sich bei Abschluss des Vertrags in einer psychischen Ausnahmesituation befindet, die Druck erzeugt, sich auf belastende Regelungen einzulassen;[34]
die belasteten Partei sprachlich oder intellektuell nicht in der Lage ist, den Regelungsgehalt zu verstehen;[35]
die Veranlassung zum Vertragsschluss sonstige Lebenssituationen geben, in denen die ungleiche Verhandlungsposition besonders ins Gewicht fällt;[36]
ideelle Werte wie die Aufrechterhaltung der Ehe oder die Gewährung von Umgang mit den Kindern durch vermögens- oder unterhaltsrechtliche Gegenleistung kommerzialisiert werden.[37]
[31] BGH v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, NJW 2014, 1101; v. 9.7.2008 – XII ZR 6/07, NJW 2008, 3426; v. 12.1.2005 – XII ZR 283/03, NJW 2006, 765.
[32] BGH v. 15.3.2017 – XII ZB 109/16; v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, NJW 2014, 1101; v. 21.10.2012 – XII ZR 48/11, NJW 2013, 457; v. 31.10.2012 – XII ZR 129/10, NJW 2013, 380.
[37] Bergschneider, Verträge in Familiensachen, 5. Aufl. 2014, Rn 157 f.

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