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Hat sich der Erblasser in einem gemeinsamen Testament oder einem Erbvertrag gebunden, kann er grundsätzlich seine letztwilligen Verfügungen nach dem Eintritt der Bindungswirkung nicht mehr einseitig ändern. Hinsichtlich lebzeitiger Verfügungen ist der Erblasser zwar nicht beschränkt,[1] aber es können dann nach dem Eintritt des Erbfalls Herausgabeansprüche des Erben nach § 2287 BGB bestehen.[2] Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich u. a. mit der Frage, ob die Absicherung der Nachfolge in ein Unternehmen und eine damit verbundene lebzeitige Übertragung ein lebzeitiges Eigeninteresse im Sinne von § 2287 BGB darstellen kann.

[1] BGHZ 124, 35; BGH NJW 1989, 2389.
[2] BGHZ 124, 35.

1. Der § 2287 BGB als Risiko für die Unternehmensnachfolge

Im Rahmen der Regelung und Absicherung einer Unternehmensnachfolge bestehen im Hinblick auf bindende letztwillige Verfügungen und etwaige Ansprüche der Bedachten nach § 2287 BGB vor allem zwei neuralgische Punkte.

Zum einen kann der Gesellschaftsvertrag bspw. bei Anteilen an Personengesellschaften[3] im Falle des Ablebens eines Gesellschafters eine Anwachsung des Gesellschaftsanteils bei den übrigen Gesellschaftern vorsehen, die bei Annahme einer unentgeltlichen Zuwendung zu einem Herausgabeanspruch führen kann. Zum anderen kann eine lebzeitige unentgeltliche Übertragung von Unternehmensbeteiligungen zu Ansprüchen nach § 2287 BGB führen, wenn sich der Erblasser zuvor bewusst oder unbewusst in einer letztwilligen Verfügung gebunden hat.

Für den Fall der Annahme einer Schenkung besteht bei einem letztwillig gebundenen Erblasser in beiden Fällen nicht nur die Problematik von Pflichtteilsergänzungsansprüchen[4] nach § 2325 BGB, sondern auch von Herausgabeansprüchen nach § 2287 BGB, die anders als bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen bezüglich der Schenkung keiner zeitlichen Begrenzung unterliegen.[5] Die Vorschrift des § 2287 BGB kennt insoweit keine dem § 2325 Abs. 3 BGB entsprechende Regelung.

[3] Bei Kapitalgesellschaften ggfs. ein Einziehungsrecht oder eine Abtretungsverpflichtung.
[4] Vgl. hierzu Lange, ZErb 2014, 121.
[5] Soergel/Wolf, BGB, § 2287 Rn 8.

2. Allgemeines zu den Voraussetzungen des § 2287 BGB

Nach § 2287 BGB kann ein Vertragserbe eine Schenkung nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 ff BGB) heraus verlangen, wenn der Erblasser in der Absicht den Vertragserben zu beeinträchtigen eine Schenkung vorgenommen hat. Die Vorschrift findet grundsätzlich auch Anwendung auf bindend gewordene gemeinschaftliche Testamente.[6] Mit der Vorschrift des § 2287 BGB soll einer missbräuchlichen Ausnutzung der lebzeitigen Entschließungsfreiheit[7] entgegengewirkt werden.

Voraussetzung des Anspruchs nach § 2287 BGB ist, dass eine wechselbezügliche Verfügung bezüglich der Schlusserbeneinsetzung besteht bzw. eine vertragsmäßige Einsetzung, dass der Erblasser eine unentgeltliche Verfügung[8] im Sinne des § 2287 getätigt hat, und dass eine objektive Beeinträchtigung vorliegt (sog. ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal).[9] Ferner muss der Erblasser mit Beeinträchtigungsabsicht gehandelt haben, was insbesondere dann angenommen wird, wenn die lebzeitige Verfügung ohne anerkennenswertes Eigeninteresse erfolgte.[10]

[6] BGH NJW 1976, 749; BGH NJW 1983, 2376.
[7] BGHZ 124, 35.
[8] BGHZ 82, 274.
[9] BGH FamRZ 1989, 175.
[10] BGHZ 77, 264; BGHZ 108, 73.

3. Bindende letztwillige Verfügungen

a) Vertragsmäßige und wechselbezügliche Verfügungen

Eine Bindungswirkung kann bei letztwilligen Verfügungen dann bestehen, wenn der Erblasser in einem Erbvertrag eine vertragsmäßige Verfügung von Todes wegen getroffen hat (§ 2287 BGB). Nach § 2278 Abs. 2 BGB können dabei die Erbeinsetzung, Vermächtnisse und Auflagen vertragsmäßig bestimmt werden.[11] Beim Erbvertrag tritt die Bindungswirkung grundsätzlich mit dem Abschluss der Verfügung von Todes wegen ein, und es muss nach hM zumindest eine der Verfügungen vertragsmäßig erfolgen.[12]

Bei gemeinschaftlichen Testamenten kann eine Bindungswirkung dann entstehen, wenn der Erblasser wechselbezügliche Verfügungen getroffen hat (§§ 2270, 2271 BGB). Auch hier gilt, dass nur die Erbeinsetzung und die Anordnung von Vermächtnissen und Auflagen wechselbezüglich bestimmt werden können.[13] Anders als beim Erbvertrag muss aber keine der Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich sein. Ferner besteht die Möglichkeit, dass nur einzelne Verfügungen wechselbezüglich sind[14] oder nur eine einseitige Abhängigkeit der Verfügungen zu denen des anderen Ehepartners bestehen soll.[15] Beim gemeinschaftlichen Testament tritt die Bindungswirkung grundsätzlich mit dem ersten Erbfall ein.

[11] BGHZ 26, 204.
[12] BGHZ 26, 204.
[13] KG FamRZ 1977, 485; BayObLG NJW-RR 1992, 1356.
[14] BGH FamRZ 1957, 130.
[15] BayObLG FamRZ 1984, 1154.

b) Auslegung der letztwilligen Verfügung

Sofern in der letztwilligen Verfügung keine ausdrückliche Anordnung im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit getroffen wurde, ist nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln, was die Erblasser wollten (§§ 133, 2084 BGB).[16] Dabei ist zum einen eine Auslegung des Testaments anhand seines Wortlauts und aus dem Zeitpunkt der Errichtung heraus vorzunehmen. Zum anderen kann auch im Rahmen der Frage der Ermittlung der...

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