Bernhard F. Klinger (Hrsg.)

C.H. Beck, 4. Auflage 2018, 1.316 Seiten, 179 EUR

ISBN 978-3-406-70389-8

Was mir neulich eine Freundin über ihre Erlebnisse mit einem Fußfetischisten erzählte, möchte ich hier nicht wiedergeben. Einräumen kann ich aber, dass mein Hang zur Strukturierung von schriftlichen Werken schon als "Gliederungsfetischismus" bezeichnet wurde. Während ich dem einen seine Affektion zwar gerne lasse, sie aber nicht recht nachvollziehen kann, sehe ich bei klaren Gliederungen und Formatierungen erhebliche Vorteile für die Aktiv- und Passivseite, Gestalter und Anwender.

Damit sind wir bei dem einzigen grundsätzlichen Kritikpunkt an dem Band "Erbrecht" aus der Reihe der Münchener Prozessformularbücher: Die Muster bilden den Kern, sind aber leider recht wenig gegliedert und monoton in Fettdruck formatiert. Das geht besser. Und selbst wenn es schulmäßig erscheinen mag: Für den Nutzer wäre eine klare Gliederung in Anträge, Zulässigkeit, Begründetheit mit Aussagen zur Zuständigkeit, der Nennung der Anspruchsgrundlagen, des Streitwertes usw. hilfreich.

Dieser Hinweis soll aber keineswegs die Qualität des Werkes herabsetzen. Was die 15 Autoren unter dem Herausgeber Bernhard F. Klinger geschaffen haben, ist mehr als bemerkenswert – nämlich empfehlenswert. Der Titel "Prozessformularbuch" greift viel zu kurz. Umfassend werden Mandatsübernahme, Informationsbeschaffung, Erbschein-, Grundbuch- und Zwangsvollstreckungsverfahren sowie die Testamentsvollstreckung behandelt. Auch bei den anderen Themen geht es nicht nur um den Prozess, sondern meist auch um begleitende Anträge und Verfügungen. Die Sichtweise ist immer die des Mandanten, also des Alleinerben, Miterben, Vor- oder Nacherben, Pflichtteilsberechtigten, Vermächtnisnehmers und Vertragserben.

Zu jeder Konstellation gibt es Muster, in denen bei einzelnen Begriffen auf die anschließenden Erläuterungen verwiesen wird. Dort finden Anfänger und Spezialisten Erklärungen für die vorgeschlagenen Formulierungen, Alternativen und weiterführende Hinweise. Sehr positiv zu vermerken sind die zusätzlichen Erläuterungen zu Kosten und Gebühren, zum Teil zu Steuerfragen sowie (so gut wie durchgehend) zu Auslandsbezügen.

Bei einer größeren Zahl an Autoren ist es selbstverständlich, dass Stil, Schwerpunktsetzung und mitunter auch Qualität differieren. Es mag dem Rezensenten nachgesehen werden, dass er bislang nicht alle 1.316 der recht eng beschriebenen Seiten durchgelesen hat. Soweit es geschah, konnte aber nirgends ein wesentlicher Qualitätsabfall erkannt werden: Kompliment an die Autoren!

So gibt es inhaltlich nur wenig zu bemängeln: Zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft durch die Teilungsversteigerung bei Immobilien findet sich sehr viel (S. 499–508), leider aber nichts zum Pfandverkauf (nur ein Verweis auf Damrau ZEV 2008, 216 auf S. 479). In der Praxis wird er zwar sehr selten durchgeführt. Aber gerade daher wäre ein Muster mit Hinweisen zum Ablauf hilfreich, selbst wenn damit nur dem Mandanten das wirtschaftlich meist sinnlose Verfahren erläutert werden könnte. Ob ein Kfz tatsächlich durch Teilungsversteigerung veräußert werden kann (so S. 478 oben), ist zumindest fraglich, jedenfalls für den Rezensenten in den Erläuterungen nicht verständlich dargestellt. Über die Aufforderung zum Abschluss einer Nutzungsvereinbarung gegen einen Miterben hinaus wäre ein Muster zur Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung hilfreich. Für eine Nutzungsvereinbarung, die beim Leser auf Interesse stoßen würde, gibt es leider nur einen Verweis auf eine nicht abgedruckte "Anlage" (S. 429).

Unter den häufigsten erbrechtlichen Klagen werden die zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen sein. Das rechtfertigt einen besonders kritischen Blick auf die diesbezüglichen Muster. Das der Stufenklage (S. 834 ff) ist leider recht knapp. In den Anträgen ist die Beiziehung des Pflichtteilsberechtigten bei der Verzeichnisaufnahme nicht erwähnt, wie es auch Lebensversicherungen und Verträge zugunsten Dritter nicht werden. Ob die Auskünfte zu Schenkungen auf "ergänzungspflichtige" und bei Zuwendungen auf "ausgleichspflichtige" beschränkt werden sollten, was dem Verpflichteten schon die Möglichkeit einer rechtlichen Würdigung bei der Auswahl der Informationen ermöglicht, ist vielleicht Geschmacksfrage. Weshalb der Wertermittlungsanspruch in dem Beispiel auf ein Unternehmen beschränkt wird, obwohl anscheinend noch gar kein Verzeichnis existiert, welches den Nachlass beschreibt, wird auch in den Anmerkungen nicht erklärt. Zu dem schwierigen Verhältnis von Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch findet sich auch an anderer Stelle (S. 829) nur wenig. Schön wären zudem ausführlichere Erläuterungen zu den Ansprüchen in der Begründetheit des Klagemusters gewesen, denn häufig muss den Richtern sehr genau dargelegt werden, welchen Sinn das Verzeichnis hat und welche Anforderungen an es gestellt werden dürfen.

Bei allen kleineren Anmerkungen: Was das Werk ausmacht, ist die unheimliche Fülle an Informationen zu prakt...

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