Leitsatz

Heiraten Ehepartner, die bereits miteinander verheiratet waren, erneut kann sich aus den Gesamtumständen ergeben, dass ein innerhalb der ersten Ehezeit errichtetes, zwischenzeitlich nicht widerrufenes gemeinschaftliches Testament auch weiterhin gültig ist.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. März 2017 – 3 Wx 186/16

Sachverhalt

Die Beteiligte zu 2. war mit dem Erblasser verheiratet. Ihre erste Ehe wurde 1968 geschlossen. Unter dem 21.5.1978 errichteten die Eheleute ein eigenhändiges, – soweit ersichtlich – von der Beteiligten zu 2. geschriebenes und von beiden Ehegatten unterschriebenes Testament, in dem es hieß:

Zitat

"Wir, ..., erklären, dass beim Tode eines Ehegatten der Andere ihn beerbt. (Berliner Testament). "

Unsere beiden ehelichen Kinder A. und S., sowie die Tochter aus der ersten Ehe der Frau: E. K., sollen bei unserem gemeinsamen Tod jeder zu gleichen Teilen erben.“

Die besagte Ehe wurde 1990 geschieden. Im Anschluss an mehrere gemeinsame Urlaube lebten die ehemaligen Eheleute ab 1998 wieder zusammen. 2002 heirateten sie erneut; diese zweite Ehe hatte bis zum Tode des Erblassers Bestand. 2003 adoptierte der Erblasser die im Testament erwähnte E. im Wege der Erwachsenenadoption.

Auf Antrag der Beteiligten zu 2. ist am 4.4.2008 ein sie als Alleinerbin nach dem Erblasser ausweisender Erbschein erteilt worden.

Mit Schrift vom 8.9.2015 hat die Beteiligte zu 1. dessen Einziehung beantragt und zur Begründung im Kern angeführt, durch die Scheidung sei das Testament von 1978 unwirksam sowie durch die spätere zweite Eheschließung auch nicht wieder wirksam geworden; es sei die gesetzliche Erbfolge eingetreten. Dem ist die Beteiligte zu 2. entgegengetreten.

Durch die angefochtene Entscheidung hat das Nachlassgericht den Einziehungsantrag zurückgewiesen. Gegen den ihr am 3.2.2016 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 1. mit ihrem am 10.2.2016 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, das die Beteiligte zu 2. zurückgewiesen sehen möchte.

Das Nachlassgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie der Testamentsakte 133 IV 356/05 AG Neuss Bezug genommen.

Aus den Gründen

Auf das vorliegende Verfahren sind entsprechend Art. 229 § 36 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch und das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der vor dem 17.8.2015 geltenden Fassung anzuwenden, da der Erblasser vor diesem Stichtag verstorben ist; auf die Einleitung des hiesigen Einziehungsverfahrens kommt es nicht an.

1. (...)

2. (...)

3. In der Sache jedoch bleibt es ohne Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht die Einziehung des Erbscheins vom 4.4.2008 abgelehnt. (...)

a) Der erteilte Erbschein unterliegt nach § 2361 Abs. 1 S. 1 BGB dann nicht der Einziehung, wenn er richtig ist. Dies ist der Fall, wenn die Beteiligte zu 2. den Erblasser tatsächlich allein beerbt hätte. Das wiederum ist gegeben, wenn das Testament vom 21.5.1978 die Erbfolge regelt. Denn ungeachtet dessen, dass die Eheleute den Rechtsbegriff des Berliner Testaments dem Anschein nach nicht vollständig zutreffend verstanden hatten, besteht kein ernsthafter Zweifel, dass sie entsprechend § 2269 Abs. 1 BGB anordnen wollten, Erbe des Erstversterbenden von ihnen sei der jeweils andere als alleiniger Vollerbe, und Miterben nach dem Längstlebenden sollten die drei benannten Kinder als Schlusserben zu je einem Drittel sein; dass mithin die Eheleute keine Vor- und Nacherbschaft bestimmen wollten.

Des Weiteren sind Bedenken dagegen, dass das Testament seinerzeit als gemeinschaftliches Testament wirksam – namentlich formwirksam und durch Testierfähige – errichtet wurde, nicht veranlasst. Angesichts dessen kommt alles darauf an, ob die Verfügung von Todes wegen nachträglich unwirksam geworden ist. Als Grund hierfür kommen einzig die §§ 2268 Abs. 1, 2077 Abs. 1 S. 1 BGB in Betracht. Die Voraussetzungen für diesen Unwirksamkeitsgrund liegen jedoch zur Überzeugung des Senats nicht vor.

Die genannten Vorschriften bestimmen, dass ein gemeinschaftliches Testament, durch das sich die Eheleute gegenseitig bedacht haben, seinem ganzen Inhalt nach unwirksam ist, wenn die Ehe vor dem Tod des Erstversterbenden aufgelöst worden ist. Allerdings bleiben nach § 2268 Abs. 2 BGB die letztwilligen Verfügungen insoweit wirksam, wie anzunehmen ist, dass sie auch für diesen Fall getroffen sein sollten.

b) Ob danach das gemeinschaftliche Testament von 1978 unwirksam ist, kann im vorliegenden Fall nicht dahingestellt bleiben. Denn eine grundsätzlich mögliche Umdeutung in ein einseitiges Testament, hier des Erblassers, scheidet bereits deshalb aus, weil ein solches formunwirksam wäre. Es würde an der gemäß § 2247 Abs. 1 BGB erforderlichen Errichtung durch eigenhändige Niederschrift des Erblassers fehlen, weil der Text der Verfügung von 1978 erkennbar von der Beteiligten zu 2. geschrieben und vom Erblasser lediglich unter...

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