1. Rechtsstreitigkeiten um die Ansprüche des beeinträchtigten Vertragserben, bzw. mit wechselbezüglicher Wirkung eingesetzten Erben nach § 2287 BGB (analog), sind Alltagsgeschäft für Erbrechtler. Es hat sich hierzu eine gefestigte Rechtsprechung entwickelt, besonders seit dem grundlegenden Urteil des BGH vom 5.7.1972 (NJW 1973, 240). Gleichwohl enthält das zu besprechende landgerichtliche Urteil tatsächlich Neues.

Der Sachverhalt ist einfach skizziert: Die Erblasserin hatte ihren Ehemann, den Kläger, zu ihrem Erbvertragserben eingesetzt. Später berief sie durch Einzeltestamente einen Sohn zu ihrem Alleinerben. Schließlich hat sie ihre ideelle Hälfte an einem Mehrfamilienhaus, das ihr gemeinsam mit ihrem Ehemann gehörte, einem Sohn übertragen. In dem notariellen Vertrag sind die Motivation und die "Leistungen" des beschenkten Sohnes dezidiert beschrieben worden. Nach dem Tod seiner Ehefrau hat der Ehemann seinen möglichen Anspruch nach § 2287 BGB gegen seinen Sohn, den Beschenkten, geltend gemacht. Vergeblich.

2. Ein Missbrauch durch die Schenkung liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm verfolgten Schenkung hatte (zuletzt BGH ZErb 2017, 20, 21; Gründe bei NK-BGB/Seiler/Horn § 2287 Rn 46 ff). Das landgerichtliche Urteil spricht sich für die nachfolgenden Indizien aus, die für ein lebzeitiges Eigeninteresse, mithin gegen das Tatbestandsmerkmal "Beeinträchtigungsabsicht" des § 2287 BGB sprechen, aus: Hierzu zählt, wenn der Schenker den Beschenkten durch die Schenkung an sich binden möchte, da sie in diesem Fall auf die "Festigung der Mutter-Sohn-Beziehung" abzielt. Für das lebzeitige Eigeninteresse sprach lt. LG Düsseldorf auch die räumlich enge Beziehung zwischen der Schenkerin zu ihrem Sohn und der Wunsch einer Mutter, "sich um ihren psychisch kranken Sohn zu kümmern". Dabei stellt das Urteil auch darauf ab, dass die Erblasserin von ihrem volljährigen Sohn nicht verlangen konnte, dass er sie bei ihren Aufenthalten in ihrer Zweitwohnung unterstützt. Gleichgültig sei es, ob die Schenkerin tatsächlich auf die Hilfe des Sohnes angewiesen war oder es nur "dem allgemeinen Bedürfnis entsprungen ist, einen Angehörigen an ihrer Seite zu wissen". Gegen die Beeinträchtigungsabsicht zulasten ihres Ehemannes solle sprechen, dass der Kläger betagt war. Eine Benachteiligung hätte sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge im Wesentlichen zum Nachteil der Geschwister des Beklagten ausgewirkt.

Dagegen hat das Landgericht auch Indizien angesprochen, die für eine Beeinträchtigungsabsicht sprechen. Hierzu zählen die vergeblichen Versuche, den Beschenkten zum Alleinerben einzusetzen. Auch die anwaltliche Unterstützung im Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Schenkungsvertrag würde die Annahme naheliegend erscheinen lassen, dass die Erblasserin auch mit dem Willen gehandelt habe, den Erbvertrag auszuhöhlen. Des Weiteren würde für den Beeinträchtigungswillen eine nicht intakte Ehe sprechen.

3. Die Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast liegen in einer Linie zu den Vorgaben vom BGH und werden deutlich herausgearbeitet. Der Kläger hat zwar die Beeinträchtigungsabsicht zu beweisen. Dazu würde es genügen, dass ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers nicht erkennbar sei. Daher hat der Beschenkte ein lebzeitiges Eigeninteresse schlüssig vorzutragen. Erst danach hat der Kläger darzulegen und zu beweisen, dass die vorgetragene Motivlage zum lebzeitigen Eigeninteresse nicht gegeben war bzw. dass neben diesem Motiv auch der Beeinträchtigungswille bestand.

4. Der beschenkte Beklagte konnte eine Haushälfte im Wert von 247.500 EUR – so der Streitwert – mit dem Argument des lebzeitigen Eigeninteresses gegen den Erbvertragserben, seinen Vater, verteidigen. Es hat sich nach den Entscheidungsgründen dabei um einen Großteil des Vermögens der Erblasserin gehandelt. Das OLG Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 16.12.2016 sogar bei einer Motoryacht im Wert von 250.000 EUR ein lebzeitiges Eigeninteresse angenommen (Az. I-7 U 40/16 – BeckRS 2016, 115634). Dort hatte der Erblasser seiner kurz vor seinem Tod geheirateten zweiten Ehefrau zur Hochzeit die Luxusyacht geschenkt. Nachdem das OLG Düsseldorf festgestellt hat, dass sich Anstandsgeschenke grundsätzlich durch ihren geringen Wert auszeichnen, nahm es dennoch ein lebzeitiges Eigeninteresse an. Hochzeitsgeschenke von weniger als 5 % des Vermögens des Erblassers seien "nicht ungewöhnlich".

5. Selbst wenn das Landgericht ein lebzeitiges Eigeninteresse angenommen hat, heißt dies noch nicht sogleich, dass dadurch zwangsläufig die Klage in voller Höhe abzuweisen ist. So muss ein lebzeitiges Eigeninteresse nicht zwingend für den gesamten Schenkungsgegenstand angenommen werden; es kann auch lediglich einen Teil der Schenkung rechtfertigen (BGH ZErb 2017, 20, 22). Dabei sind die Grundsätze der gemischten Schenkung entsprechend anzuwenden.

6. Oftmals wird ein Anwalt erst beauftragt, nachdem der Schenkungsvertrag beurkundet wurde. Nach den Erfahrungen des Rezensen...

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