Vor der Klageerhebung

Bevor der Pflichtteilsberechtigte den Erben verklagt, ist dessen Pflichtteilsrecht zu überprüfen, soweit schon entsprechende Informationen bekannt sind:[2]

Enterbung (§ 2303 BGB),
Miterbe als unzureichend Bedachter gem. § 2305 BGB, oder
Vermächtnisnehmer, der entweder unzureichend bedacht ist oder das Vermächtnis ausgeschlagen hat (§ 2307 BGB).
Der beschränkte oder beschwerte Erbe gem. § 2306 BGB muss fristgerecht ausgeschlagen haben.
Feststellung der Pflichtteilsquote durch Ermittlung der gesetzlichen Erbquote. Hierzu müssen die Verwandtschaftsverhältnisse und der Güterstand eines verheirateten Erblassers geklärt werden. Lebte der Erblasser in der Zugewinngemeinschaft und ist der länger lebende Ehegatte enterbt oder hat er nach § 1371 Abs. 3 BGB ausgeschlagen, ist bei Vorhandensein von Abkömmlingen zu beachten, dass fiktiv dem länger lebenden Ehegatten nur das erbrechtliche Viertel gem. § 1931 Abs. 1 BGB mit der Folge der Erhöhung der Quoten der Abkömmlinge zusteht (vgl. § 1371 Abs. 2 BGB: "… oder eines anderen Pflichtteilsberechtigten …").
Hatte der Erblasser ein Kind adoptiert, steht diesem unabhängig von einer Minderjährigen- oder Volljährigenadoption ein Pflichtteilsrecht zu. Das kann aber bei einer Volljährigenadoption ausgeschlossen sein. Sonderregelungen gem. Art. 12 AdoptG sind für Adoptionen vor dem Stichtag 1.1.1977 zu beachten. Nur bei einer Minderjährigenadoption entfällt das Pflichtteilsrecht nach dem leiblichen Elternteil (§ 1755 BGB, § 1770 BGB), sodass trotz einer Adoption eines Volljährigen noch dessen Pflichtteilsrecht nach seinen leiblichen Eltern besteht.[3] Eine zu Lebzeiten des Erblassers beantragte Aufhebung der Adoption wirkt auf den Todeszeitpunkt zurück (§ 1764 Abs. 1 S. 2 BGB).
Läuft ein Vaterschaftsanfechtungs- oder Vaterschaftsfeststellungsverfahren?
Keine Vereinbarung eines vorzeitigen Erbausgleichs nach § 1934 d BGB aF?
War der Erblasser geschieden bzw. hat er oder der länger lebende Ehegatte die Scheidung beantragt oder einer solchen zugestimmt (§ 1933 BGB)?
Pflichtteilsentziehung (§ 2333 BGB)?
Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht eines Beteiligten (§ 2346 BGB)?
Pflichtteilsunwürdigkeit (§§ 2339, 2345 BGB)?
Formloser Verzicht auf die Geltendmachung der Pflichtteilsrechte nach dem Erbfall bzw. Erlass der Pflichtteilsforderung?
Prüfung, ob eine Pflichtteilsstrafklausel oder eine andere Verwirkungsklausel ausgelöst wurde oder durch das Verlangen des Pflichtteilsberechtigten ausgelöst werden könnte.[4]
Bei einem Empfänger von ALG-II-Leistungen nach SGB II geht der Pflichtteilsanspruch automatisch nach § 33 SGB II auf den Sozialleistungsträger über ("HARTZ IV"). Dagegen muss der Anspruch bei einem Leistungsempfänger nach SGB XII erst durch Bescheid übergeleitet werden ("Sozialhilfe"; § 93 SGB XII). Hat der pflichtteilsberechtige Empfänger den letztwilligen Vermögenserwerb dem Träger der Leistungen angezeigt?[5]
Dreimonatseinrede des/der Erben gem. § 2014 BGB, prozessuale Geltendmachung mittels eines Vorbehalts gem. § 305 ZPO, Zwangsvollstreckung nach Arrestrecht: § 782 ZPO.
Aufgebotseinrede des/der Erben gem. § 2015 BGB, prozessuale Geltendmachung mittels eines Vorbehalts gem. § 305 ZPO, Zwangsvollstreckung nach Arrestrecht: § 782 ZPO.
Bei einem im Insolvenzverfahren befindlichen Pflichtteilsberechtigten sind Besonderheiten zu beachten.[6]
Bei einem minderjährigen Pflichtteilsberechtigten sind bei seinem gegen den länger lebenden Elternteil geltend zu machenden Pflichtteilsanspruch Besonderheiten wie die Hemmung der Verjährung nach § 207 Abs. 1 Nr. 2 a BGB sowie ein Interessenkonflikt nach den §§ 1629 Abs. 2, 1796 BGB zu berücksichtigen.[7] Ein Anspruch oberhalb von 15.000 EUR ist dem Familiengericht anzuzeigen (§ 1640 BGB).

Keine Verjährung:

  • 3 Jahre ab Schluss des Jahres, in dem Kenntnis von dem Erbfall, von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners besteht bzw. aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht besteht (§§ 195, 199 BGB);
  • Anspruch gegen den Beschenkten nach § 2329 BGB: 3 Jahre kenntnisunabhängig ab dem Erbfall (§ 2332 Abs. 1 BGB).

Wenn nach dieser Checkliste die Pflichtteilsberechtigung festgestellt wurde, ist der Erbe bzw. sind die Miterben außergerichtlich zur Auskunftserteilung, Wertermittlung und unbeziffert zur Zahlung aufzufordern ("Stufenmahnung"). Es empfiehlt sich, ein Anerkenntnis etwa innerhalb von zwei Wochen zu verlangen und zur Auskunftserteilung und Zahlung innerhalb von zwei Monaten aufzufordern (mit dem Hinweis auf die Entgegennahme von Abschlagszahlungen). Auch mit dem unbezifferten Zahlungsanspruch gerät der Schuldner in Verzug;[8] es sei denn, er hätte die Nichtzahlung nicht zu vertreten, etwa wenn sich die Wertermittlung verzögert.[9]

Bei der Inanspruchnahme von Beschenkten gem. § 2329 BGB gilt Entsprechendes, nur dass der Pflichtteilsberechtigte die Kosten von Wertgutachten zu übernehmen hat. Zeitgleich können direkt von Grundbuchämtern Grundbuchauszüge einschließlich Schenku...

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