Dr. Loose erörterte die Einflüsse der Rechtsprechung auf die Entwicklung der Erbschaftsteuer und befasste sich mit dem Vorlagebeschluss des BFH vom 27.9.2012. Dem Vorlagebeschluss habe ein typischer "Erbschaftsteuerfall" zugrunde gelegen. Der Kläger sei zu einem Viertel Erbe seines Onkels geworden, nachdem dieser 2009 verstorben sei. Bei einem Freibetrag von 20.000 EUR und einem Steuersatz von 30 % sei der Kläger vom Finanzamt zu einer Steuer in Höhe von 9.360 EUR veranlagt worden. Für das Jahr 2009 hätten für die Steuerklassen II und III die identischen Steuersätze von 30 % Anwendung gefunden. Erst ab 2010 sei der Eingangssteuersatz für die Steuerklasse II auf 15 % herabgesetzt worden. Der Kläger habe die Auffassung vertreten, dass auch für das Jahr 2009 wegen des familiären Näheverhältnisses für die Steuerklasse II aus Gründen des Verfassungsrechts ein entsprechender Steuersatz hätte gelten müssen. Diese Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III habe der BFH für verfassungsrechtlich zulässig erachtet. Zweifel resultierten aber aus dem Zusammenspiel der Verschonungsvorschriften für unternehmerisches Vermögen nach §§ 13 a und 13 b ErbStG und der Tarifvorschrift des § 19 ErbStG, weil die Steuervergünstigungen nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigt seien und einen verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang aufwiesen. Nach den §§ 13 a und 13 b ErbStG könne Vermögen jeder Art und in jeder Höhe ohne Anfall von Erbschaftsteuer erworben werden, ohne dass es auf eine Gemeinwohlbindung ankomme. Obgleich Mechanismen wie die Lohnsumme und das Verwaltungsvermögen existierten, um das Erreichen der mit der Begünstigung unternehmerischen Vermögens verfolgten Gemeinwohlgründe sicherzustellen, müsse die Geeignetheit dieser Mechanismen bezweifelt werden. Aufgrundlage dieser Verfassungsverstöße sei der BFH überzeugt, dass diese teils für sich allein, teils in ihrer Kumulation zu einer das gesamte Erbschaftsteuergesetz erfassenden Fehlbesteuerung führten.

Der Vorlagebeschluss des BFH habe sich Kritik gefallen lassen müssen. So habe man sich für eine Auseinandersetzung mit der Verfassungskonformität der Vorschriften des § 13 a und § 13 b ErbStG einen Sachverhalt vorstellen können, der unmittelbare Berührungspunkte zum unternehmerischen Vermögen aufweise. Wenn man sich aber vergegenwärtige, dass gleichheitssatzwidrige Verschonungsregelungen über die Ermittlung der Bemessungsgrundlage eine gleichheitssatzwidrige Steuertarifvorschrift zur Folge hätten, handle es sich um genau den richtigen Streitfall. Weitere Kritik habe darin bestanden, dass mit § 42 AO eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift im Steuerrecht existiere, mittels derer die verfassungswidrigen, vom Gesetz aber ermöglichten Gestaltungsmodelle hätten "eingefangen" werden können. Zu diesem Vorwurf sei festzustellen, dass von der Finanzverwaltung keine Praxis geübt werde, solche Gestaltungen im Hinblick auf § 42 AO nicht anzuerkennen. Der entscheidende Punkt sei jedoch, dass der Gesetzgeber den Gedanken des § 42 AO in den Regelungen über die Lohnsumme und das Verwaltungsvermögen umgesetzt habe, sodass bezweifelt werden müsse, ob für § 42 AO daneben noch ein Anwendungsbereich verbleibe. Schließlich hätte sich die Frage gestellt, ob dem verfassungswidrigen Erbschaftsteuerrecht nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung Rechnung hätte getragen werden können. Letztlich habe man sich aber gegen eine verfassungskonforme Auslegung ausgesprochen, weil Kernbereiche des Erbschaftsteuergesetzes dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit ausgesetzt gewesen seien und Korrekturen im Wege der Auslegung dem Gewaltenteilungsprinzip widersprochen hätten.

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