Die Gestaltung besonderer Testamente für behinderte und nicht behinderte Bedürftige gehört im Erbrecht seit Ende der 1970er Jahre zu den Topthemen in Literatur und Praxis. Die Sozialgerichte, insbesondere das Bundessozialgericht, halten sich dagegen immer noch zurück. Jahrelang lag der "Hauptkriegsschauplatz" im SGB II und SGB XII ausschließlich bei der Frage: "Ist eine Erbschaft eigentlich Einkommen oder Vermögen?"

Der konträr ausgetragene sozialhilferechtliche Streit geht dabei eigentlich an den Kernfragen des klassischen Behinderten- bzw. Bedürftigentestaments vorbei, weil die Gestaltung eines klassischen Behinderten-/Bedürftigentestaments von einer Vor- und Nacherbschaft oder einem Vor- und Nachvermächtnis geprägt ist, bei der dem bedürftigen Vorerben/Vorvermächtnisnehmer lediglich die "Früchte" (§ 2133 BGB) zustehen, aber nicht die Substanz des Nachlasses.

"Früchte" sind in der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung grundsätzlich Einkommen und kein Vermögen, wenn sie erstmals nach Beantragung der Sozialleistung zu einem Wertzuwachs geführt haben. Zinsen sind solche "Früchte". Sie sind sozialhilferechtlich Einkommen, auch wenn es sich bei dem verzinsten Kapital um Schonvermögen handelt.[37] Werden sie thesauriert, vermittelt die Gutschrift zunächst nur die Rechtsposition die Auszahlung der Zinsen als Teil der gesamten angelegten Summe verlangen zu können.[38] Das BSG hat dies in einer aktuellen Entscheidung konkretisiert:

Für die Bewertung einer Zinsgutschrift als Einkommen ist allein entscheidend, dass das Kapital nach erstmaliger Beantragung der Sozialleistung einen Wertzuwachs erfahren hat. Ohne Bedeutung für die gebotene Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen ist dagegen, ob die Mittel zu diesem Zeitpunkt zur Deckung des Lebensunterhalts tatsächlich zur Verfügung standen.[39]
Es kommt sodann bei Berücksichtigung einer (Zins-) Einnahme als Einkommen in einem abschließenden Prüfungsschritt darauf an, ob zugeflossenes Einkommen als "bereites Mittel" geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken.[40]
Steht der als Einkommen erlangte Wertzuwachs im Zeitpunkt des Zuflusses aus Rechtsgründen noch nicht als "bereites Mittel" bedarfsdeckend zur Verfügung, ist die Berücksichtigung als Einkommen zu diesem Zeitpunkt auch dann ausgeschlossen, wenn der Leistungsberechtigte auf die Realisierung des Wertes hinwirken kann.[41]
Sofern in solchen Fällen in früheren Entscheidungen des BSG eine Berücksichtigung bereits zum Zeitpunkt des Zuflusses erwogen worden ist, wenn eine Freigabe der fraglichen Mittel "ohne Weiteres" zu erreichen war, so ist darauf nach der jüngeren Rechtsprechung nicht mehr abzustellen. Allenfalls ist in dieser Lage nach der übereinstimmenden Rechtsprechung beider Grundsicherungssenate des BSG vielmehr in Betracht zu ziehen, dass ein solches – einen Wertzuwachs nicht realisierendes – Verhalten einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II auslösen kann.[42]

Für die Bedürftigentestamente zugunsten Behinderter und nichtbehinderter bedürftiger Leistungsbezieher hat die Entscheidung eine gewisse Bedeutung. So wie Zinsen sozialhilferechtliches Einkommen darstellen, so gilt dies auch für alle sonstigen "Früchte", die ein Testamentsvollstrecker aus dem ihm anvertrauten Nachlass ziehen kann. (z. B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung). Solange diese Einkünfte keine "bereiten Mittel" und deshalb (noch) nicht geeignet sind, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken, bleiben sie (zunächst) unberücksichtigt. Die Dauertestamentsvollstreckung entfaltet eine ähnliche Wirkung als würden Zinsen thesauriert. Der Schutz des Bedürftigentestaments wirkt perfekt. Aber was kommt dann?

Der eigentliche Knackpunkt liegt nicht bei der Anordnung von Vorerbschaft/Nacherbschaft und Vorvermächtnis/Nachvermächtnis. Der eigentliche Knackpunkt liegt bei der Frage der Verwaltungsanordnungen nach § 2216 Abs. 2 BGB. Wie wirkt es, wenn der Testamentsvollstrecker etwas von den Nachlassfrüchten oder evtl. sogar aus der Nachlasssubstanz ohne Vorbehalt herausgibt? Muss oder kann der Bedürftige den Testamentsvollstrecker zwingen, etwas aus der Vorerbschaft/dem Vorvermächtnis herauszugeben? Und was ist, falls das auf Dauer verweigert wird oder unmöglich ist? Ein solches Testament dürfte zwar dem Grunde nach wirksam sein. Die Verwaltungsanordnungen, und mit ihnen die ordnungsgemäße Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker, stehen aber auf dem Prüfstand und sind ggf. anzupassen. Hierzu gibt es jedoch noch keine aktuelle Rechtsprechung.

Noch begrüßt die Praxis jede neue Entscheidung, bei der das BSG bestätigt, dass der Hilfeempfänger Nachlassmittel nicht einsetzen muss, enthusiastisch und getragen von dem Wunsch nach endgültiger sozialrechtlicher Akzeptanz von Testamenten, die Beschränkungen und Beschwerungen enthalten, um den Zugriff des Sozialhilfeträgers zu verhindern.

Eine solche Entscheidung ist die Kindergeldzuschlagsentscheidung des BSG[43], die mE nach nicht als Etappensieg für das Bedürftigentestam...

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