Seit 1.8.2016 gelten Einschränkungen für dieses Prüfungsmuster und deshalb ist die nachfolgende Entscheidung des LSG Sachsen-Anhalt[8] von didaktischem Interesse, weil sie heute so im SBG II nicht mehr ergehen könnte.

Der Fall: Der geerbte PKW

Die Antragsteller standen seit 2014 als Bedarfsgemeinschaft im Leistungsbezug nach SGB II und beantragten die Weiterbewilligung von Leistungen. Das Jobcenter lehnte die Weiterbewilligung ab, weil die Antragstellerin aus einer Erbschaft Bargeld in Höhe von 2.430 EUR, einen PKW Honda Jazz im Wert von 3.000 EUR und eine Immobilie geerbt hatte. Diese Erbschaft sei – bereinigt um die zu bestreitenden Nachlassverbindlichkeiten – als Zufluss im Bedarfszeitraum als Einkommen einzusetzen. Es handele sich nicht um Schonvermögen.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung entsprach die Entscheidung der Rechtslage. Seit 1.8.2016 hat der Gesetzgeber mit dem 9. Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Auseinandersetzung der Insolvenzantragspflicht[9] – die Einkommensanrechnungsvorschrift des § 11 Abs. 1 SGB II geändert und aus der Einkommensdefinition den Begriff "Geldeswert" gestrichen. Dieses Tatbestandsmerkmal hatte bis dahin dafür gesorgt, dass (Sach-)Zuwendungen an den Bedürftigen nach Antragsstellung als Einkommen behandelt und damit voll oder doch zumindest mit dem Betrag, der für diesen Teil (z. B. Autoanschaffung für Mobilität) in dem maßgeblichen Regelbedarf enthalten war, angerechnet wurden.[10] Der Gesetzgeber hat nunmehr erstaunliche Feststellungen getroffen:

Zitat

"Die Prüfung (von bedarfsdeckenden Bestandteilen des Regelbedarfs) war außerdem aus systematischen Gründen widerrechtlich, weil der Regelbedarf als pauschalierte Geldleistung grundsätzlich nicht in seine Bestandteile aufgeschlüsselt werden kann."
"Zudem bleiben auch künftige Einnahmen in Geldeswert, die nicht regelbedarfsrelevant sind, als Einkommen unberücksichtigt. Solche Einnahmen konnten schon nach bisherigen Recht nur dann berücksichtigt werden, wenn sie bereit sind, d. h. tatsächlich und aktuell im Bedarfsmonat für den Lebensunterhalt eingesetzt werden können. Bei Einnahmen in Geldeswert ist dies häufig nicht sichergestellt, da sie zunächst veräußert werden müssen, um für den Lebensunterhalt eingesetzt werden zu können. Zudem ist die Berücksichtigung von Sachwerten unbillig, wenn der gleiche Gegenstand, wäre er bereits bei Antragsstellung vorhanden gewesen, nicht als Vermögen zu berücksichtigen gewesen wäre."
"Einnahmen in Geldeswert bleiben daher zukünftig grundsätzlich anrechnungsfrei und sind ab dem Ersten des Monats, der auf den Monat des Zuflusses folgt, dem Vermögen der Leistungsberechtigten zuzuordnen. Erforderlich ist daher insoweit eine Prüfung, ob das neu erworbene Vermögen zu berücksichtigen ist."
"In vielen Fällen wird es sich dabei um Vermögen handeln, dass nicht zu berücksichtigen ist (zum Beispiel angemessener Hausrat § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, aber auch die Erbschaft einer bereits zum Zeitpunkt der Erbschaft selbst bewohnten Immobilie)."

Wer jetzt aufatmet und feststellt, dass man seinem Hartz-IV-beziehenden Abkömmling dann ja jetzt wohl eine Wohnung nebst Wohnungseinrichtung (außerhalb der Wertanlage) mit Möbeln, Haushaltsgeräten, Teppichen, Bildern, Haushaltwäsche sowie Rundfunk- und Fernsehgeräten zuwenden kann, liegt grundsätzlich richtig, muss aber das Tatbestandsmerkmal "angemessen" im Auge behalten, das anders als in § 90 II Nr. 4 SGB XII nicht[11] an den bisherigen Lebensverhältnissen des Hilfesuchenden gemessen wird. Auch die Zuwendung eines "angemessenen" Kraftfahrzeugs für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person ist jetzt möglich.[12]

Die Konsequenzen dieser Neuregelung sind in Gänze noch nicht abzusehen. So sollen Gutscheine, Edelmetalle, Aktien und Wertpapiere, ungeachtet ihres leicht bestimmbaren Geldeswertes, keine Einnahme in Geld, sondern als Geldwert Vermögen sein.[13] Das ist wegen der Schonvermögensregeln in § 12 SGB II von erheblicher Bedeutung.

Und für den Erbrechtler von Interesse: Geldwerte Ansprüche wie z. B. ein Pflichtteilsanspruch werden ebenfalls als Vermögen diskutiert, wenn der Erbfall nach dem 31.7.2016 eingetreten ist, und zwar selbst dann, wenn das im laufenden Arbeitslosengeld II-Bezug erfolgt ist.[14] Die Rechtsqualität eines solchen Anspruchs war bisher streitig.[15]

Die Vererbung eines nicht selbst bewohnten Hausgrundstücks ist dagegen ein Problem. Hierzu führt der Gesetzgeber aus:

"Ist das neu erworbene Vermögen hingegen zu berücksichtigen (zum Beispiel die Erbschaft einer nicht selbst bewohnten Immobilie), ist diese nach den allgemeinen Regeln des § 12 Abs. 4 mit ihrem Verkehrswert als Vermögen zu berücksichtigen. Nach § 12 Abs. 4 Abs. 2 gilt daher für die Bewertung der Zeitpunkt des Erwerbes. Ist eine sofortige Verwertung des zu berücksichtigenden Vermögens nicht möglich, sind Leistungen nach § 24 Abs. 5 (Darlehensleistungen) zu erbringen."[16]

Offen bleibt, ob der H...

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